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From a letter to an oppressive symbol – notes on >Z<

Martin Luther, Biblia, Band I, Wittenberg: Hans Lufft 1541 (Bibel des Seidenstickers Hans Plock; Stadtmuseum Berlin, Inventar XIII 387)
Hans Plock wurde um 1490 in Mainz geboren, wo er vermutlich auch eine Seiden- und Perlenstickerlehre absolvierte. Zwischen 1509 und 1512 verbrachte er seine Gesellenzeit in Trier, wo er (so notierte er es in seiner Luther-Bibel) die Erhebung des Heiligen Rocks anlässlich des Reichstages im Jahr 1512 erlebte. Seine Kunstfertigkeit als Seidensticker erbrachte ihm eine Anstellung am Hof Albrechts von Brandenburg (1490-1545), dessen Gefolgschaft er für viele Jahre angehörte. In diese Zeit fällt auch seine anhaltende Freundschaft mit Matthias Grunewald. Im Jahr 1521 ging Plock mit Albrecht nach Halle/Saale ging und fertigte prachtvolle Ornate und Stickereien für den Kardinal an. Plocks Tätigkeit für Albrecht von Brandenburg lässt sich sicher bis 1532 nachweisen, hierzu gehörten auch Pilgerfahrten und Dienstreisen, um etwa Edelsteine und Perlen in Antwerpen zu kaufen. Danach brach die Beziehung zu Albrecht von Brandenburg ab, Plock ging nicht mit ihm im Jahr 1541 nach Mainz, sondern blieb in der Saalestadt, deren Bürger er bereits 1525 geworden war. In dieser Zeit wendet sich Plock auch intensiv der lutherischen Lehre zu, zu deren glühendem Verfechter er wird. Bemerkenswert ist, dass Plock neben reformatorischem Flugschrifttum auch im Besitz einer vorlutherischen Bibelübersetzung aus dem Jahr 1478 war (heute Marienbibliothek/Halle); auch diese Überlieferung wird in unserem Forschungsvorhaben miteinbezogen.
Noch 1541 erwarb Hans Plock seine zweibändige Luther-Bibel, eine Prachtausgabe, die ihn dann fast dreißig Jahre begleitete. Dabei hinterließ Plock in ganz persönlicher Auseinandersetzung mit den geistigen und geistlichen Umbrüchen seiner Zeit zahllose Annotationen, Marginalien, Text- und Bildzusätze sowie koloriertes Material. Aufmerksamkeit wurde der Plock-Bibel bislang vor allem wegen seinen Einklebungen zeitgenössischer Zeichnungen, Kupferstiche und Illustrationen zuteil, unter denen sich neben Werke von Schongauer, Dürer und Cranach auch vier Zeichnungen des bedeutenden Malers und Grafikers Matthias Grünewald befinden.

Martin Luther, Biblia, Band I, Wittenberg: Hans Lufft 1541 (Bibel des Seidenstickers Hans Plock; Stadtmuseum Berlin, Inventar XIII 387), links: Matthias Grünewald, Zeichnung, um 1503, Zeichnung; rechts; Matthias Grünewald, Zeichnung, um 1503 (vgl. Katalog 2005, 58)
Der weitaus umfassendere historische Wert der Luther-Bibel liegt jedoch auch in Plocks handschriftlichen Annotationen, (kritischen) Kommentaren und tagebuchartigen Erinnerungen, mit denen sich ein einzigartig authentisches Zeitzeugnis erhalten hat, das Einblick in das Leben von Plock, seine laientheologischen Bestrebungen sowie den politischen, religiösen und künstlerlischen Kontext seiner Zeit gibt. Die zweibändige Ausgabe der Bibelübersetzung Luthers aus dem Jahr 1541 umfasst rund 1600 Seiten, wovon ca. die Hälfte handschriftlich von Plock annotiert wurde. Von diesen rund 800 annotierten Seiten wurden 23 ganzseitig (auf leeren Blättern) beschrieben. Diese Zufügungen Hans Plocks, mit denen er – soviel konnten wir bereits feststellen – einem planvollen Gesamtkonzept folgte, sind bislang nur sehr punktuell ausgewertet worden. Die zum Teil schwer lesbaren Marginalien sind bislang weder linguistisch erschlossen noch zusammenhängend ausgewertet worden; zur Zeit werden sie in an der Universität Trier/ Trier Center for Digital Humanities von Carolin Geib und Claudine Moulin in einer ersten Sichtung für eine digitale Edition erfasst und für weitere Analyseschritte vorbereitet.
Ferner soll das Werk im Sinne einer singulären “Objektbiographie” erschlossen werden, die sich eindrucksvoll im Spannungsfeld zwischen der Innovativität des Druckmediums und der Tradition der Handschriftenkultur sowie zwischen der Öffentlichkeit des Druckmediums und der Privatheit eines Tagebuchs bzw. Egodokuments bewegt. Die Frage nach den Adressaten und Benutzern diesen unikalen Objekts, das Lesen, Schreiben, Sehen und Zeichnen verbindet und das Buch als “Behälter” für vielfältige Informationen und andere Medien umwandelt, ist in vielfältiger Weise zu beleuchten.

Martin Luther, Biblia, Band II, Wittenberg: Hans Lufft 1541 (Bibel des Seidenstickers Hans Plock; Stadtmuseum Berlin, Inventar XIII 387); Rückseite des 2. Blatts nach dem Vorderdeckel: Martin Schongauer, Marientod, Kupferstich, vor 1481; gegenüberliegende Seite: anonym, Chistus als Schmerzensmann, Grisaille.
Diese einmalige Lutherbibel und die anderen Quellen, die im Besitz von Hans Plock waren, zu erschließen und auszuwerten sind somit Gegenstand dieses Forschungsvorhabens, das wir zusammen mit dem Stadtmuseum Berlin (Albrecht Henkys) durchführen. Das Projekt wird die Hausbibel von Hans Plock insbesondere unter folgenden Gesichtspunkten erschließen:
- Die Lutherbibel des Hans Plock wird systematisch im Hinblick auf ihre Zusammensetzung und Ergänzungen durch seine Hand transkribiert und in einer digitalen Edition mitsamt sämtlichen Annotationen, Marginalien und Text- und Bildzusätze zugänglich gemacht. Dabei werden nicht nur das Druckwerk selbst, sondern auch die Marginalien und Zusätze Plocks digital als Bild sowie im Volltext präsentiert und somit das gesamte Objekt für weitere wissenschaftliche Auswertungen bereitgestellt.
- Die Plock-Bibel wird in ihren zeitgeschichtlichen Kontext gestellt und im Hinblick auf ihre Zusätze inhaltlich erschlossen. Hierzu gehören etwa die Herstellung von Bezügen von Annotationen zum Basistext des Druckes (= dem Bibeltext in der Fassung von 1541) sowie die Auswertung nicht basistext-bezogener Annotationen, die auf andere Inhalte – etwa zur Zeit- oder Reformationsgeschichte – verweisen und die Zitatstellen aus anderen Werken aufweisen usw. Neben religions- und kulturhistorischen Aspekten ist Plocks Hausbibel auch sprachhistorisch von einmaligem Interesse, denn sie zeichnet erstmalig „am lebendigen Objekt“ nach, wie etwa die „Luthersprache“ auf individueller Ebene in frühneuhochdeutscher Zeit gewirkt haben kann.
Ferner werden in Zusammenarbeit mit Kunsthistorikern die Bildelemente im Kontext der Gesamtüberlieferung erschlossen und neu gedeutet werden können. - Die digitale Edition und die Forschungsergebnisse werden in einem Online-Portal präsentiert, das Hans Plock nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht gewidmet ist, sondern auch für eine größere Öffentlichkeit zugänglich macht.
Dies sind die ersten Bausteine für eine ganzheitliche Erschließung des “Kosmos” um Hans Plock sowie seiner Bücher und Kunstwerke als Seidensticker. Insbesondere soll in einer weiteren Projektphase die Plock-Bibel in Beziehung zu den anderen (zum Teil ebenfalls annotierten) Druckwerken gesetzt werden, die in Besitz von Plock waren.
Gerne möchten wir das Vorhaben möglichst vielseitig angehen und unter Beteiligung aller interessierten Disziplinen vertiefen.

Martin Luther, Biblia, Band I, Wittenberg: Hans Lufft 1541 (Bibel des Seidenstickers Hans Plock; Stadtmuseum Berlin, Inventar XIII 387)
Workshop zu Hans Plock
Im Rahmen des Forschungsprojekts organisieren wir am 31. Oktober/1. November 2019 im Märkischen Museum/ Berlin, ein Workshop, auf dem das Vorhaben vorgestellt und u.a. auch ein Kriterienkatalog für das geplante Online-Portal zur Diskussion gestellt werden soll.
Ferner sollen Vorträge (20 min + 10 min Diskussion) zu Hans Plock sowie seiner sprach-, kultur- und kunsthistorischen Bedeutung, zur zeit- und reformationsgeschichtlichen Einordnung, zur Edition hybrider Buchobjekte und Marginalien oder anderen relevanten Bereichen den interdisziplinären Austausch anregen. Beiträge aus dem Bereich der Digital Humanities und der digitalen Editionswissenschaft sind sehr willkommen.
Hierzu bitten wir um kurze Abstracts bis zum 15. April 2019.
Veranstalter:
Stadtmuseum Berlin: Albrecht Henkys, Tel.: 030 24002 210), E-Mail: Henkys@stadtmuseum.de
Universität Trier: Prof. Dr. Claudine Moulin (Germanistik – Ältere deutsche Philologie / Trier Center for Digital Humanities), Tel.: 0651/201-2305 oder 2321; E-Mail: moulin@uni-trier.de
Der Call for Papers findet sich hier.
Anmeldung/ Abstracts bitte an: Prof. Dr. Claudine Moulin (moulin@uni-trier.de )
Praktisches: Einreichung eines schriftlichen Exposees (ca. 400-500 Wörter) sowie eines kurzen Lebenslaufs (max. 150 Wörter). Einsendeschluss ist der 15. April 2019; eine Benachrichtigung der angenommenen Themenvorschläge erfolgt bis zum 15. Mai 2019. Reisekosten für die eingeladenen Vortragende können übernommen werden.

Martin Luther, Biblia, Band I, Wittenberg: Hans Lufft 1541 (Bibel des Seidenstickers Hans Plock; Stadtmuseum Berlin, Inventar XIII 387)
Literatur (zur Orientierung): Vom Kardinalsornat zur Luther-Bibel. Kunst und Leben des Seidenstickers Hans Plock im Spannungsfeld der Reformation, Ausstellungskatalog Stadtmuseum Berlin, Berlin 2005.
Maria Deiters, Bible, Image, Artist – The Bible of Hans Plock, in: Wim François, August den Hollander (ed.), “Wading Lambs and Swimming Elephants”. The Bible for the Laity and Theologians in the Late Medieval and Early Modern Era, Leuven, Paris, Walpole, MA 2012, 153-180.
Claudine Moulin, Sich einschreiben. Spielarten des Vernakularen als biographische Indikatoren mittelalterlicher Codices, in: Ulrike Gleixner, Constanze Baum, Jörn Münkner, Hole Rößler (Hg.), Biographien des Buches (= Bd. 1, Kulturen des Sammelns. Akteure Objekte Medien), Göttingen 2018, 88-112.
Claudine Moulin, Endozentrik und Exozentrik: Marginalien und andere sekundäre Eintragungen in Autorenbibliotheken, in: Stefan Höppner, Caroline Jessen, Jörn Münkner, Ulrike Trenkmann (Hg.), Autorschaft und Bibliothek. Sammlungsstrategien und Schreibverfahren, Göttingen 2018, 227-240.
Siehe auch die Digitalisate: https://sammlung-online.stadtmuseum.de/Details/Index/488979
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La question de la visibilité et de la reconnaissance des femmes dans la recherche et dans la vie académique est virulente et actuelle à la fois – elle s’articule en grand et en détail. La problématique est complexe à saisir et à décrire, elle se manifeste sur une subtile échelle allant de l’évident au caché, du dit au non-dit, mais pensé (in)volontairement ou du moins sous-entendu.
Le sujet fait partie de notre vie académique de tous les jours, il est quasiment omniprésent. Il suffit d’ouvrir les yeux. Récemment, j’y fus confrontée à la lecture d’une évaluation sur un (excellent) projet de recherche commun proposé par deux chercheurs, un homme et une femme – tous les deux des éminents représentants de leurs disciplines. La femme avait un curriculum plus fourni, plusieurs grands projets de recherche conduits avec succès et un considérable financement tiers dans un centre de recherche dirigée par elle ainsi qu’une liste de publications internationale et exemplaire. L’auteur de l’évaluation, un collègue « senior », fit dans son évaluation du projet dans la partie consacrée à l’expertise des demandeurs du projet, un long éloge de son homologue masculin, – et il se contenta, au sujet de la collègue féminine, d’une seule phrase, notant qu’elle était « très expérimentée dans l’exécution de grands projets ». Point, Madame, dans la cuisine (scientifique) sait manier ses casseroles – la disproportion était évidente, si voulue ou non, cela n’est pas vraiment la question. La question touche plutôt une façon d’être, un « état d’esprit » ou, comme on dirait en allemand, une « Haltung », qui doit être apprise, adressée et même apprivoisée.
Elle touche aussi au phénomène de la visibilité et – à l’inverse, depuis toujours, – de l’invisibilité des femmes dans la recherche. Nous connaissons tous/toutes quelques noms iconiques de femmes dans l’histoire de la recherche occidentale dont on n’a pas, peu ou trop tard reconnu l’excellence scientifique. Mais, il y en a des milliers d’autres dont les voix ne furent et ne sont pas vraiment entendues aujourd’hui. La question de l’invisibilité des femmes de la recherche a été notamment adressée par les projets de Nathalie Heinich et plusieurs tribunes publiées dans la presse.[2] Il est, en effet, important de réfléchir dans une dimension plus diversifiée, englobant une approche incluant la question du genre, des minorités et le fait que les acteurs de l’invisibilisation des femmes ne sont pas exclusivement masculins. Nadia Fartas note dans une contribution pour le carnet « Commencer » sur la plateforme hypotheses :
« Il ne s’agit donc pas de défendre une spécificité « féminine » (approche différentialiste) mais d’affirmer avant tout la reconnaissance de compétences et la légitimité de recherches, quel que soit le genre de leur auteur (approche universaliste). Du reste, toutes ces tribunes invitent à leur manière à la vigilance et à la solidarité. »[3]
Le dernier point me semble important : vigilance et solidarité. Il s’agit donc de développer à partir de là, des réponses nous permettant de rendre conscient et de répondre aux défis quotidiens de l’invisibilisation (ou même de l’ignorance) des femmes dans le milieu scientifique. Cette invisibilisation des femmes et des minorités touche bien sur aussi d’autres domaines en dehors de la vie scientifique, comme le monde des affaires, le monde juridique ou politique. Ces derniers ont développé des techniques qui peuvent aussi s’avérer utiles dans le monde de la recherche. Une de celles-ci, développée il y quelques années sur la toile de fond des inégalités de genre, est ce que l’on désigne comme « amplification » – une pratique collaborative où il s’agit de rendre une voix féminine audible par la répétition / reprise faite par un tiers (dans la salle, par écrit etc.). Cette méthode, appliquée entre autres au sein de l’administration de Barack Obama,[4] est facile à apprendre et à appliquer. Bien sûr elle n’est qu’un élément dans la mosaïque des améliorations possibles, mais elle est non agressive, participative et efficace.
L’amplification part de l’observation que souvent les idées formulées par des femmes par exemple lors d’une réunion ne sont souvent pas entendues (en allemand, le verb « überhören » est plus exact – entendre, en « passant dessus » – c’est-à-dire, en fait, ne pas [vouloir] entendre), et puis peu de temps après reformulées par des hommes et présentées comme les leurs. La technique suggère de répéter immédiatement une observation pertinente faite par une femme – d’amplifier donc sa voix et de lui donner le crédit de l’idée formulée. La répétition et l’attribution de l’idée originale peut bien-sûr aussi se faire comme écho lors d’une reformulation masculine ultérieure, quasiment comme pansement réparateur. Ce qui est intéressant pour la communauté scientifique, c’est qu’elle peut aussi être adaptée pour l’écrit – citer les femmes pour rendre leur voix (écrites) plus visibles et donc amplifier leur impact dans le monde scientifique.
Amplifier ne constitue à mon avis pas seulement dans la technique de la reformulation (ou de l’echo) de la voix féminine, mais aussi dans le reprise neutre et/ou rectification de la parole d’autrui sur les femmes en recherche – notamment quand, dans un contexte scientifique, une chercheuse (approchant la quarantaine par exemple) est désignée comme jeune ou charmante; il s’agira là de recentrer le débat sur l’expertise de la collègue et d’amplifier celle-ci.
De façon idéale, cette méthode peut (et devrait) aussi bien être appliquée par des femmes que par des hommes. Je la pratique régulièrement et j’y sensibilise dans les programmes de mentoring auxquels je suis affiliée. Elle peut être exercée de façon proactive par exemple lors de la présidence d’une conférence ou d’une modération d’une réunion, où la personne en charge de la discussion veille à l’équilibre des voix et encourage les femmes (et d’autres minorités) à faire usage de la leur. On veillera aussi à ce qu’on ne leur coupe pas la parole, les ignore lorsqu’elles signalent le désir de parler ou que d’autres commencent à chuchoter or parler d’autre chose lorsqu’elles prennent la parole. Et pour revenir à mon exemple de départ, il s’agira aussi à veiller à ce que les voix féminines soient consciemment prises en compte, respectées et adressées, et de renvoyer, par exemple, – si l’on est en position de le faire – le texte à l’auteur en lui demandant de repenser et reformuler le passage en question dans son évaluation.
[1] Un rapport du séminaire sera publié sur la page web de l’IEA de Paris: https://www.paris-iea.fr/fr/ .
[2] Cf. par exemple Nathalie Heinich, « L’invisibilisation de la pensée des femmes, l’autre plafond de verre » », Le Monde, 9 novembre 2018: https://www.lemonde.fr/idees/article/2018/11/09/la-pensee-des-femmes-est-elle-vraiment-invisible_5381076_3232.html.
[3] Nadia Fartas, « Discriminations, invisibilité et “invisibilisation de la pensée des femmes” », Carnet de recherche Comment commencer ?, novembre 2018 : https://commencer.hypotheses.org/1658
[4] Laurie Vazquez, « “Amplification”: The Clever Method Women in the White House Use to Be Heard », Big Think, 15 septembre 2016: https://bigthink.com/laurie-vazquez/how-women-in-the-white-house-make-their-voices-heard ; Seema Sharma, « Gender bias in the workplace: Practical steps to take for change», 9 juin 2017: https://www.mendeley.com/careers/article/gender-bias-in-the-workplace-practical-steps-to-take-for-change/ .
]]>von Michael Embach (Stadtbibliothek Trier)
Es ist eine bedeutende Initiative, die sich im gesamteuropäischen Kontext als ein „projet franco-allemand“ etabliert hat und die große Ziele verfolgt: die Erhebung der Handschriften aus der Hofschule Kaiser Karls des Großen in den Status des Weltdokumentenerbes der UNESCO („Memory of the World“).
Das Korpus der karolingischen Hofschule besteht aus acht vollständigen Handschriften und einem Fragment. Die prachtvollen Kodizes und ihre Einbände sind heute über die großen Häuser Europas zerstreut. Neben den Nationalbibliotheken von Frankreich, England, Österreich und Rumänien sind die Biblioteca Apostolica Vaticana, der Louvre sowie die Stadtbibliotheken von Abbeville (Picardie) und Trier im Besitz von Handschriften der Hofschule oder Teilen daraus. Eine besonders dichte Überlieferung findet sich in Frankreich. Hier liegen mit dem „Godescalc-Evangelistar“, dem „Evangeliar aus St.-Martin-des-Champs“, dem „Evangeliar aus Centula“ und dem „Evangeliar aus St. Médard in Soissons“ gleich vier Handschriften. Aus dem Kreise der übrigen Kodizes springt das „Lorscher Evangeliar“ ins Auge. Bedingt durch die Wechselfälle der Überlieferung wurde es in zwei Bände aufgeteilt. Während die Evangelien des Matthäus und Markus nach Alba Iulia (Rumänien) gelangten, liegen die Evangelien des Lukas und Johannes im Vatikan. Die Elfenbeintafeln und Buchdeckel wiederum sind auf die Vatikanischen Museen und das Victor and Albert Museum in London verteilt. Aber nicht nur das „Lorscher Evangeliar“, auch die anderen Handschriften der Hofschule haben „ihre“ Geschichte. Man staunt, dass 1.200 Jahre nach ihrer Entstehung immer noch so viele Stücke vorhanden sind, wenn auch im Modus einer europaweiten Dislozierung.
Jedes einzelne Produkt der geheimnisumwitterten Werkstatt kann die höchste Aufmerksamkeit für sich beanspruchen. Es handelt sich um Referenzobjekte von repräsentativem Charakter. Blitzlichtartig vermögen die Handschriften der Hofschule aufzuzeigen, welchen Stand die Kunst und Kultur in der Zeit um 800 erreichen konnte. In ihrer Gesamtheit spiegeln sie eine kulturelle Leistung wider, die ihresgleichen sucht. In der vorausliegenden merowingischen Epoche waren die kontinentalen Skriptorien nicht annähernd in der Lage gewesen, das künstlerische Niveau der Hofschule zu erreichen. Zudem lag die Produktion der Handschriften zu dieser Zeit in Händen der Klöster. Plötzlich wird nun ein weltlicher Hof aktiv und schwingt sich zum pulsierenden Zentrum eines herausragenden Kunstschaffens auf. Wie kein anderes Produkt gelten die Handschriften der Hofschule als künstlerischer Ausdruck der karolingischen Renaissance. Durch die Rezeption römischer, byzantinischer und insularer Einflüsse erzeugen sie eine Stilhaltung, die in ihrem grandiosen Auftritt von vornherein einen generalisierten, transnationalen Anspruch erhebt. Bis heute ist dieser Geltungsanspruch zu spüren und erzeugt eine Aura überzeitlicher, kategorialer Bedeutung.
Über einen Zeitraum von etwa 40 Jahren hinweg vermochte die Hofschule Karls des Großen ihren stilprägenden Einfluss aufrechtzuerhalten. Schriftkünstler, Miniaturisten, Elfenbeinschnitzer und Goldschmiede vereinigten ihr Können, um einen Status zu erreichen, der zuvor undenkbar erschien. Bereits der verschwenderische Reichtum der Ausstattung spricht für sich: Großformatige Anlage, die Verwendung von Goldtinte und Purpur, Einbände aus Elfenbein oder kostbaren Metallen, all dies unterstreicht den imperialen, geradezu hieratischen Anspruch der einzelnen Stücke.

Stadtbibliothek Trier, Hs. 22 (Ada-Evangeliar)
Zusammengehalten wird die Produktion der Hofschule vom Kaiser selbst. Zum ersten Mal seit der römischen Antike ist es wieder ein weltlicher Herrscher, der als Auftraggeber und Stifter derartig hochrangiger Kunstwerke in Erscheinung tritt. Demonstrativ stellt Karl der Große sich in die Tradition der römischen Kaiser. Das von ihm propagierte Modell der Herrschaftslegitimation greift zurück auf den Topos der „Translatio imperii“, der rechtmäßigen Übertragung der Macht von den Römern auf die Franken. Nicht nur im Bereich von Politik und Bildung, auch im Bereich von Kunst und Kultur wird dieser Topos herbeizitiert und anhand der Hofschul-Handschriften auf manifeste Weise vergegenständlicht. Nicht umsonst ließ Karl der Große sich am Hof von Aachen als „novus Constantinus“ titulieren und nicht umsonst erscheint auf dem elfenbeinernen Einband des „Lorscher Evangeliars“ das konstantinische Motiv des „Sol invictus“. Hierzu passt, dass der Einband des „Ada-Evangeliars“ einen spätrömischen Stein mit einer Darstellung der Familie Kaiser Konstantins zeigt. Und selbst die in allen Evangeliaren der Hofschule vorhandenen Darstellungen der vier Evangelisten greifen auf das antike Modell der römischen Kaiserporträts zurück.
Entstehungsgeschichtlich fällt das Korpus der Hofschule in die Zeitspanne 780 bis 820. Mit dem Tode des Kaisers (814) erlischt die Produktion, ein deutliches Zeichen für die personenzentrierte Ausrichtung dieser Kunst. In letzter Konsequenz bildet Karl der Große selbst das Gravitationszentrum der Hofschule. In der Regel war es der Herrscher, der die Aufträge erteilte und die Künstler an sich band, der für die Übermittlung an bedeutende Widmungsträger sorgte und der die Mittel für die Herstellung der Handschriften zur Verfügung stellte. Der „Dagulf-Psalter“ etwa wurde von Karl dem Großen als ein Geschenk für Papst Hadrian I. (772-795) in Auftrag gegeben. Anlass war die vom Papst im Jahre 781 vorgenommene Taufe von Karls Sohn Karlmann in Rom. Nur weil der Papst vor der geplanten Überreichung verstarb, verblieb die Handschrift im Besitz des Hofes. In bewusster Anknüpfung an die römische Taufe Karlmanns wurde der vermutlich seit dem 13. Jahrhundert in Frankreich liegende Kodex 1811 Kaiser Napoleon Bonaparte überreicht. Auch hier war der Anlass eine Taufe, diesmal jene von Napoleons Sohn Franz Bonaparte (1811-1832), des späteren Königs von Rom.
Vielleicht bringt der Begriff des „Style Charlemagne“ die eigentümlich herrscherzentrierte Art dieser Form von Kunst am besten zum Ausdruck. Und es scheint nicht fernliegend, zumindest auf dem Gebiet der Kultur Karl den Großen tatsächlich als den „Vater Europas“ zu betrachten.

Stadtbibliothek Trier, Hs. 22 (Ada-Evangeliar)
Blickt man auf die Inhalte der Handschriften, so zeigt sich eine völlige Dominanz der kirchlichen Sphäre. Erhalten haben sich ein Psalter, ein Evangelistar und eine Reihe von Evangeliaren. Auch dies war kein Zufall. Karl der Große als der vom Papst gekrönte „miles christianus“ hat sich immer als Sachwalter der Kirche verstanden, nicht nur in den über nahezu 30 Jahre hinweg geführten Sachsenkriegen. Der sakrale Anspruch seiner Herrschaftsauffassung manifestiert sich ebenso in den feinsinnigen Produkten der Hofschule wie in den brutalen Schlachten, die der Kaiser führte. Dabei zeigt ein Blick auf die Textfassungen der Handschriften, wie ambitioniert die Hofschule auch auf diesem Felde vorging. Sehr deutlich äußert sich der Einfluss, den Alkuin, Theodulf von Orléans, Petrus von Pisa und andere Mitglieder des internationalen Gelehrtenkreises am Hofe auf die Erneuerung der christlich-lateinischen Bildung im fränkischen Reich nahmen. Die Ideale der „Correctio“ und „Renovatio“, der verbesserten und erneuerten Bildung, schlagen nicht nur im Bereich von Schrift, Recht, Liturgie und Kirchengesang durch, sie gelten auch für die Textgestaltung der Bibel. Richtschnur und leuchtendes Vorbild für all diese Bemühungen war die Kirche von Rom. Sie galt am fränkischen Hof als Hort der authentischen Überlieferung, sowohl für die Bereiche des gregorianischen Gesangs, des Kirchenrechts und der „Regula Benedicti“ wie auch für den Text der Bibel. Die „Vulgata“ des Kirchenvaters Hieronymus ist es, die vom Hofe Karls des Großen aus in sprachlich und orthographisch gereinigter Form als normsetzendes Muster über das gesamte Reich hinweg verbreitet wurde.
Ungeachtet des Glanzes, den die Hofschule verbreitete, liegt Vieles im Wirken dieses exzellenten Kreises von Künstlern und Gelehrten bis heute in einem kaum zu erhellenden Dunkel. So lässt sich lediglich vermuten, dass der Sitz der Hofschule zunächst in Worms lag. Bedingt durch einen Brand der Wormser Königspfalz an Weihnachten 790 scheint sich das Zentrum von dort nach Aachen verlagert zu haben. Und aus dem Kreis der beteiligten Künstler sind uns lediglich Dagulf und Godescalc mit Namen bekannt. Die große Mehrheit der hoch talentierten Meister verschwindet hinter den von ihnen geschaffenen Artefakten. Letztendlich fällt auf, dass die Handschriften der Hofschule keine kompletten Bildfolgen zum Leben Jesu enthalten. Ob dieser tendenzielle „Ikonoklasmus“ mit dem Frankfurter Konzil von 794 zusammenhängt, bei dem es um eine Stellungnahme zum byzantinischen Bilderstreit ging, bliebe zu untersuchen. Auffällig ist jedenfalls, dass die um 1.000 entstandenen ottonischen Bilderhandschriften nach Art des „Codex Egberti“ umfangreiche christologische Zyklen enthalten.
Die UNESCO-Initiative zu den Handschriften der karolingischen Hofschule versteht sich als ein internationales Gemeinschaftsprojekt kulturtragender Institutionen ganz Europas. Sie wird von der überwiegenden Zahl der besitzenden Institutionen mitgetragen. Ziel ist es, einen bedeutenden Teil des europäischen Kulturerbes unter den Schutz der UNESCO zu stellen und zugleich den Blick der Öffentlichkeit für die Bedeutung dieses kulturellen Erbes zu schärfen. Im Falle einer positiven Bewertung des Antrags erwartet die UNESCO von den besitzenden Institutionen eine Digitalisierung der Handschriften. Etwa 1.200 Jahre nach seiner Entstehung würde das Korpus der Hofschule Kaiser Karls des Großen damit wieder als eine in sich geschlossene Einheit in Erscheinung treten – zwar nicht im physischen Original, wohl aber im digitalen Substitut. Die Entscheidung der UNESCO wird für das Jahr 2020 erwartet.
Es bliebe darauf hinzuweisen, dass im Herbst dieses Jahres eine von der Stadtbibliothek Trier (Michael Embach) und der Universität Trier (Claudine Moulin) gemeinsam organisierte internationale Tagung stattfindet, die das Thema der karolingischen Hofschule in umfassender Weise beleuchtet. „Die Handschriften der Hofschule Kaiser Karls des Großen – individuelle Gestalt und europäisches Kulturerbe“, so der Titel der Veranstaltung (Stadtbibliothek Trier, Weberbach 25, 54290. 10.-12. Oktober 2018). Die Adresse der Homepage lautet: https://courtschool.eu.
]]>Um es für den wissenschaftlichen Bereich vorwegzunehmen (für andere Bereiche, wie etwa die Belletristik, ist die Lage eine andere): Die mittelfristige Zukunft im Bereich des wissenschaftlichen Kommunizierens und Publizierens ist digital und Open Access. Dabei möchte ich die sogenannte analoge Publikation nicht als Gegenpol oder Ausschlusskriterium zum Digitalen (und vice versa) im aktuellen Zeitstrang sehen. Wir sollten die besten Wege für digitale Publikationskulturen unter Beteiligung aller Akteure vorbereiten und vor allem auch im gegenwärtigen Diskurs eine Entpolarisierung zwischen Gedrucktem und Digitalem vornehmen. Dieser Prozess impliziert einen Wandel bezüglich der Formen und der Vielfalt der Publikationsformate, Hand in Hand mit der Entwicklung von Evaluations- und Anerkennungsmechanismen, die die Qualität und Vielfalt von digitalen Publikationen im Open Access – genauso wie die der analogen – in Einvernehmen mit den grundlegenden Prinzipien geisteswissenschaftlicher Forschung garantieren.
Dieser vielschichtige Veränderungsprozess hat bereits begonnen hat (schon alleine die zahlreichen Workshops und Tagungen zu diesem Thema sind mehr als Symptom). Angemessene und faire Praktiken, auch in und zusammen mit dem gewerblichen Bereich, sollten angestrebt werden, bei denen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nicht in noch größerem Maße wie bislang die goldenen Melkkühe für die Veröffentlichungen der eigenen Aufsätze und Bücher werden. Ein solches Szenario würde in der Tat genau das Gegenteil des fundamentalen Selbstverständnisses geisteswissenschaftlicher Forschung bedeuten.
Das Young Researchers Forum der European Science Foundation hat in einem Positionspapier mit dem Titel “Changing Publication Cultures in the Humanities” die neue Situation, der wir zur Zeit gegenüberstehen, überzeugend zusammengefasst:
“A key aspect of the future publishing culture in the humanities is to develop new opportunities to catalyse positive change in prevalent modes of institutional authority. It is necessary to facilitate access to the scholarly community in order to democratise participation and collaboration between peers because innovative scientific work takes place in numerous contexts outside traditional scholarly genres”. (p.7)
Dieses “Reformieren” (im wörtlichen Sinne – “eine neue Form geben”) der wissenschaftlichen Publikationspraktiken wird als Folge auch einen Wandel der Rollen der darin partizipierenden Individuen und Institutionen haben, etwas der Bibliotheken und Archive. Und auch das Verlagswesen ist hier tiefgreifend gefordert, ich zitiere noch einmal das Young Researchers Forum:
“The role of publishers will change from providing content to providing services to the authors and users of scholarly information. As content will increasingly be available in raw open access form, the challenge for the publisher is to provide suitable access and flexibility, assisting scholars to find, select, enrich, recombine, and cite the work of others. The repositories themselves should be maintained by public institutions capable of guaranteeing open and equal long-term access to the results and resources of the scholarly work. The role of the scholars as a global community is to provide the source of new scholarly knowledge and a guarantee of its high intellectual quality.” (p.7).
Letzter Punkt ist dann auch der entscheidende: Der Geisteswissenschaftler bleibt – wie seit jeher –der Garant der hohen intellektuellen Qualität des produzierten Outputs. Diese Verantwortung können und sollen wir nicht abgeben – und der Anspruch auf diese Garantie existierte und existiert per se und ist letztendlich, so würde ich aus der Sicht der Handschriftenforscherin uns Sprachhistorikerin formulieren, unabhängig von der Medialität des Textträgers.
Wissenschaftliche Erzählformen, Buch und Medialität
Somit greifen solche Argumentationen zu kurz, die in der Debatte um das digitale Publizieren eine vermeintliche, toposhaft idealisierende Dichotomie von herkömmlich Gedrucktem (im Sinne von gedruckter Qualität) versus digitale Flüchtigkeit aufbauen. Der Historiker Martin Schulze Wessel hielt vor kurzem auf einer Veranstaltung in München zum Thema “Nachwuchswissenschaftler, Verlage, Bibliotheken & Open Access. Zeitgemäßes Publizieren in den Geisteswissenschaften” – bei feinfühlig differenzierender Argumentation – letztendlich an der traditionellen Sichtweise fest: “Die große Erzählung bedarf des gedruckten Buches, da bin ich ganz sicher”. Ihm ist gewiss hinsichtlich des Umstands zuzustimmen, dass die „große Erzählung“ weiterhin – im Gegensatz etwa zu Datenbanken, optischen Visualisierungen und anderen neuen Wissensrepräsentationen – im Fließtext am besten, und zwar auch mit hohem literarischem Anspruch darstellbar ist, und dieser Fließtext in Buchform gut vermittelbar ist, aber das muss heutzutage nicht mehr unbedingt oder ausschließlich auf Papier geschehen. Auch digitale Buch-Publikationen können prinzipiell und werden auch einen verdientermaßen gleichen qualitativen Anspruch im monographischen Bereich erfüllen.
Vor allem der Luzerner Mittelalterhistoriker Valentin Gröbner, der diese Art der Polarisierung inzwischen geradezu zu seinem Markenzeichen entwickelte, hat kürzlich in einem Gastbeitrag auf der Online-Zeitschrift Public History Weekly (13.02.2014) im Hinblick auf die neuen Publikationskulturen plakativ festgehalten:
“Lektion? Keine Erlösung durch die neuen Medien, und auch kein Weltuntergang. Die schnellen digitalen Übertragungskanäle mit ihrem ununterbrochenen Aufdatieren schaffen ihre langsamen analogen Vorgänger auf Papier nicht ab, im Gegenteil. Noch nie waren gedruckte Aufsätze und Bücher so notwendig wie heute, nämlich als Filter für stabile Resultate: Hochfrequente “heiße” Kommunikationsmedien – wie dieses hier – alimentieren und fördern “kühlere” Speicher mit längerer Haltbarkeit. Deswegen wird in den digitalen Formaten auch ununterbrochen auf Papierpublikationen verwiesen. Das gilt für wissenschaftliche Netzpublikationen ebenso wie für jeden brauchbaren Wikipedia-Eintrag. Und aus richtig guten Blogs werden – Bücher. Hallo, digitale Revolution, ist da jemand?”
Die Passage ist linguistisch interessant, denn sie baut metaphernreich einen Gegensatz auf, der eigentlich an fundamentalen Anachronismen scheitert: die Annahme, dass es Bücher offenbar nur in gedruckten Formen gibt bzw. geben darf – und dass nur das auf Papier Gedruckte offenbar das Filternde, das Stabile, das Elitäre und das letztendlich Qualitätsvolle darstellt.[1] Kurzum: die Argumentation müsste spätestens bei historischer Betrachtung wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, da sie die Jahrhunderte, ja Jahrtausende vor der Einführung des Buchdruckes in Europa (wohl bewusst) aus dem Blickfeld nimmt. Sie scheitert somit letztendlich auch an der Grunddefinition des Buches. Ein Buch ist nicht per se ein auf Papier gedrucktes Garant für stabile Wissensvermittlung – sonst würden ganze Jahrhunderte Wissenserzeugung, Wissensvernetzung und Wissensweitergabe über das Pergament oder anderer Schriftträger ausgeblendet, und zwar solche Schriftkulturen, die mittels eines Schriftmediums erfolgreich funktionierten und im Mittelalter etwa Bücher produzierten, die per se keine zwei identischen Kopien des gleichen Textes erlaubten. Diese Verfahren der Buchproduktion erzeugten kollaborative und vielfach dynamische Wissensspeicher, die erst die Voraussetzungen schufen für die wissenschaftlichen Großunternehmungen ab dem Humanismus aufwärts. Diese mittelalterlichen Pergamenthandschriften, ja es sind Bücher, aber keine gedruckten, lehren den, der sich die Zeit nimmt aus der Vogelperspektive unserer digitalen Welt hineinzuschauen, dass wir es mit seltsamen Wiedererkennungswerten zu tun haben – und somit letztendlich auch das papierne Buch in einer longue durée hier seinen Platz noch einnehmen muss, ohne das endgültige A und O aller Dinge zu sein.
Freilich muss man, wenn man wissenschaftlich arbeiten will, nicht alles lesen, was im Netz steht, um nochmals den Titel eines Beitrages von Valentin Gröbner zu zitieren,[2] aber diese Frage stellt sich letztendlich für alles (inklusive der sogenannten “grauen Literatur”) auf Papier Gedruckte und davor Geschriebene, und somit wären wir wieder bei der Frage der Quellenkunde und Heuristik, die nur durch eine ganz immaterielle, und zwar intellektuelle Arbeit vollzogen werden kann. Insgesamt sollten wir die Vielfalt der neuen Publikations- und Kommunikationsformen im Netz wahrnehmen, mit den (noch) vorhandenen analogen kombinieren, in unsere wissenschaftlichen Arbeitsweisen integrieren, und auch deren positive Potentiale erkennen, von wissenschaftlichen Blogs, Mikropublikationen bis hin zu Online-Zeitschriften und Monographien, die selbstverständlich auch qualitativ hochwertig online veröffentlicht werden können, um nur einige zu nennen.
Hybridität und Digitalität
Vielleicht würde es auch einfach gut tun, unsere jetzige Hybridität zwischen analogen und digitalen Publikationskulturen zu erkennen, und im Kontext einer allgemeinen Digitalität entspannter damit umzugehen. Auch ich stehe gerne vor einem Regal und ziehe genau das (gedruckte) Buch zu einer bestimmten mittelalterlichen Bibliothek heraus, um darin konzentriert zu lesen oder einfach nur zu stöbern, – ich freue mich aber auch, wenn das gleiche Buch (oder eins, das ich eben nicht zur Hand habe) zum orts- und zeitungebundenen Lesen oder zum gezielten Durchsuchen digital verfügbar, und sogar eventuell von mir annotier- und mit anderen Quellen verlinkbar ist. Nicht zu schweigen von all den mittelalterlichen Handschriften, von denen ich jeden Tag dankbar bin, dass ich sie inzwischen zu Tausenden in hochqualitativer Auflösung und zum Teil in ihrem ursprünglichen – heute vielfach nicht mehr in der analogen Welt vorhandenen – Überlieferungskontext mit anderen Codices zusammen im Netz aufsuchen und benutzen kann.
(Die Ausführungen gehen auf einen Vortrag zurück, der auf Einladung von Marko Demantowski und Béatrice Ziegler am 24. März 2014 des Basler Kolloquium zur Didaktik der Geschichte und Politik gehalten wurde. Merci an Mareike Koenig und Georg Schelbert für Anregungen und Hinweise.)
[1] Die ganze Debatte erinnert zum Teil an die Diskussion um die deutsche Rechtschreibreform und das von manchen noch heute (vielleicht etwa auch in elitärem Habitus) praktizierte Festklammern an der alten Orthographie, wobei auch deren Unzulänglichkeiten beflissentlich ausgeblendet bzw. systematisch verdrängt werden.
[2] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/wissenschaftliches-publizieren-muss-ich-das-lesen-12051418.html sowie die Antwort darauf und die Diskussion dazu im Redaktionsblog, https://redaktionsblog.hypotheses.org/951.
Noch ein Turn
Von all den intellektuellen und technischen turns, die die Geistes- und Sozialwissenschaften im letzten Jahrhundert durchgeführt haben, ist der digitale zweifellos von einer anderen Natur und einer breiteren Wirkung, auch wenn nicht jeder in der akademischen Welt von uneingeschränkter Euphorie erfüllt ist. Die Entwicklung von Digitalität (digitality), im Sinne der Konzeptualisierung durch Nicholas Negroponte als ‘the condition of being digital’, ist nicht nur von allgemeiner gesellschaftlicher Relevanz, vielmehr birgt sie auch bedeutende Konsequenzen für die akademische Welt und die Art und Weise, wie wir forschen. Hierbei stellt sich, insbesondere auch bei dem Thema der Wolfenbütteler Veranstaltung die grundlegende Frage: Digitalität verändert zweifellos unseren akademischen Alltag, aber wie sind diese Veränderungen methodologisch, und wenn man es so formulieren will, epistemologisch zu begleiten?
Vor allem die Sicherung, Dokumentierung und Bereitstellung des kulturellen Erbes in seiner materiellen Vielfältigkeit und Heterogenität stellen uns vor neue Herausforderungen. Hier sind grundlegende methodische Konzepte nicht nur für die so genannten Digital Humanities, sondern für alle geisteswissenschaftlichen, insbesondere auch die historisch arbeitenden Disziplinen insgesamt zu entwickeln. Die Frage ist also eindeutig nicht mehr die Frage nach dem ob der Digitalität und der digitalen Wissensbestände, sondern die nach dem wie. Der Bogen an Möglichkeiten spannt sich von mittlerweile anerkannten Parametern wie der Entwicklung und Anwendung von internationalen Standards, der prinzipiellen Verfügbarkeit des digitalisierten Materials über den Open Access Gedanken und der langfristigen Sicherung dieses Materials über die systematische Dokumentation der digitalen Erschließungstools bis hin zur Herausbildung und Akzeptanz neuer Publikations-, Evaluations- und Anerkennungskulturen im Rahmen digital-gestützter, geisteswissenschaftlicher Forschungsprozesse.
Kulturelle Artefakte und Forschungsobjekte im Wandel
Insbesondere wird nicht nur das Verhältnis zwischen Objekt bzw. Artefakt und wissenschaftlichem Beobachter neu ausgerichtet, sondern auch die prinzipielle Daseinsform dieser beiden Akteure im wissenschaftlichen Prozess, der unter Umständen entkörpert, entzeitlicht und enträumlicht werden kann. Es geht auch darum, das Verhältnis auszuloten zwischen dem historischen (analogen) Objekt und dessen digitalen Repräsentanten bzw. Abstraktionen, oder wie es unsere Oxforder Kollegin Ségolène Tarte formuliert, deren digitalen Avataren, die durchaus ihre eigene Existenzformen haben und auch eigene Gefahren im wissenschaftlichen Umgang mit ihnen bergen. Ferner gibt es auch die so genannten “digital born objects”, die so intendiert, gezielt produziert und ausschließlich digital existieren, wie etwa die nur virtuell vorhandene 3D-Rekonstruktion einer Handschriftenseite aus einem heute völlig verkohlten Fragment oder die Rekonstruktion eines Artefakts, das nie existierte, dessen Planung jedoch aus schriftlichen Quellen bekannt ist. Und schließlich gibt es Formen der Hybridität, der unterschiedliche Existenzformen vereinen.
In diesem Spannungsfeld der Objektvielfalt sind Forschungsprojekte im Rahmen der digitalen Erschließung und Analyse von Handschriftenbeständen angesiedelt, welche entsprechende Erkenntnismöglichkeiten eben nur durch die Existenz der Digitalisate ermöglichen. Dies betrifft sowohl das Digitalisat im Sinne der Einzelüberlieferung (etwa die Analyse einer Handschrift bzw. kleinerer Quellengruppen) als auch der Möglichkeit der Analyse und Auswertung von sehr großem Datenmaterial, das nur mit computergestützten Methoden zu bewältigen ist (hierzu hat Björn Ommer einen spannenden Vortrag zur Computer Vision gehalten). Die Herausforderung im Bereich der Digitalisierung ist es aber auch, wie bereits vielfach und auch auf der Wolfenbütteler Veranstaltung unterstrichen wurde, nicht nur Antworten auf die Fragen von heute (die wir ja kennen und formulieren können) zu finden, sondern auch zukünftige Fragen, die wir unter Umständen heute noch gar nicht fassen können, zu ermöglichen. Dies erfordert eine teilweise unübliche, noch zu erlernende methodologische Offenheit, und eine über die Perspektiven der Einzelfächer hinausgehende grundlegende Bereitschaft zur Interdisziplinarität.
Im Hinblick auf historische Bibliotheksbestände ist die Ausgangslage eine auf den ersten Blick Erfreuliche: Früh hat sich das “digitale” Augenmerk auf diese einmaligen Kulturbestände gerichtet, so dass inzwischen solide Erfahrungswerte vorhanden sind, und vielfach auch entsprechende Digitalisierungsstandards entwickelt werden konnten. Die Anzahl der Digitalisierungsprojekte oder der virtuellen Rekonstruktionsprojekte zu mittelalterlichen Bibliotheken ist etwa bereits für den europäischen Raum kaum zu überschauen, ganz zu schweigen von Vorhaben zu nicht-europäischen Schriftkulturen. Teilweise entstehen – auch durch besondere Umstände bedingt und abhängig von der jeweiligen Fragstellung oder Schwerpunktsetzung – so genannte Insellösungen, die nicht immer mit gängigen Digitalisierungs- und Kodierungsstandards kompatibel sind, und die somit auch eine Vergleichbarkeit und eine Interoperabilität der unterschiedlichen Digitalisierungsprojekte bereits auf nationaler Ebene erschweren. Hier wird eine der wichtigen Herausforderungen der nächsten Zeit sein, Brücken zu schlagen und Austauschmöglichkeiten der Formate zu ermöglichen, um übergreifende Untersuchungsszenarien zu ermöglichen.
Verlässt man die reine Digitalisierungsebene der Bestände in Richtung wissenschaftliche Erschließung, so können einerseits ausgehend von bereits vorhandenen, digitalisierten und entsprechend annotierten Beständen weiterführende Forschungsprojekte angeschlossen werden. Aus dem Trierer DFG-Projekt „Virtuelles Scriptorium St. Matthias“, das die heute dislozierte, mittelalterlich Bibliothek von St. Matthias in Trier virtuell rekonstruiert, ist zum Beispiel das größere, vom BMBF geförderte Kooperationsprojekt „eCodicology“ entstanden, in dem u. a. Philologen, Buchwissenschaftler und Informatiker aus Darmstadt, Karlsruhe und Trier Algorithmen zum automatischen Tagging mittelalterlicher Handschriften entwickeln, die Makro- und Mikro-Strukturelemente einer Handschriftenseite im Hinblick auf Layout und Aufmachung automatisch erkennen und diese Informationen in die Metadaten zu jedem Image einpflegen. Das geht so weit gut, weil wir uns quasi ins gemachte Bett legen, sprich eigene, homogene Daten zu 500 mittelalterlichen Handschriften zu forschungsfragengetriebenen Analysen verwenden können.
Hybridität der Angebote in den digitalen Wissensräumen und Hürden im Forschungsalltag
Anders sieht es bezüglich der Quellengrundlage bei Vorhaben bzw. forschungsgetriebenen Einzelfragen aus, die man gerne als “traditionelle” Vorgehensweise bezeichnet (aber nicht ganz zutreffend, da diese doch eine zeitlose Daseinsform geisteswissenschaftlicher Forschung darstellt), und die auch nicht mit einem vorhandenen, homogenen digitalen Korpus etwa einer Bibliothek bzw. einem bereits fertigen Digitalisierungsprojekts zu einem bestimmten Thema zu bewältigen ist (bzw. es zur Zeit noch nicht ist). Ich möchte hier von einem eigenen Beispiel ausgehen: Im Rahmen einer Untersuchung zur Kulturgeschichte der Annotation habe ich an einer kleineren interdisziplinären Fallstudie, bei der der Ausgangsgedanke war, die Textgeschichte (und auch Texterfindung) des berühmten Architekturtraktates des antiken Autors Vitruvius durch die Überlieferung annotierter Exemplare vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit zu erforschen. Eine erste Stichprobe ergab, (u.a. auch dank der Existenz einer Online-Vitruv-Datenbank, die zumindest einen Teil der Zeitstrecke abdeckte), dass offenbar genügend Digitalisate entsprechender zentraler Handschriften, Inkunabeln und frühen Drucke für diese Fallstudie zugänglich sein müssten. Soweit die Theorie, die Praxis sah jedoch etwas anders aus: Viele Digitalisate, auch aus bekannten Bibliotheken bzw. auf der Europeana-Plattform, waren qualitativ so heterogen, dass zum Teil im schwarz-weißen Avatar der Buchrand selber und auch die eigentlich im Ausgangsobjekt vorhandenen Marginalien nicht mehr erkennbar waren. Ferner gab es regelmäßig Fehlverknüpfungen bzw. ungenaue Zuweisungen der Digitalisate einerseits innerhalb der Bibliothekskataloge selber und andererseits (wenn auch in geringerer Anzahl) in die vorhandene Vitruvdatenbank. Was hier unter Umständen für eine wissenschafts- oder architekturhistorische Fragestellung zu verschmerzen gewesen wäre (aber wahrscheinlich auch dort nicht), war aus philologischer Sicht methodisch deprimierend. Das Resultat war, dass ich die im Netz gewonnenen Daten zwar genauestens im Sinne einer Quellenkritik und auf dem Hintergrund eines Gesamtkorpus geprüft habe, aber dann entschieden habe, das digitale Angebot eher als Zusatzmöglichkeit zu nutzen und sonst gezielt wiederum das Original in der Bibliothek aufzusuchen. Trotz des vermeintlich überlieferungsgeschichtlich gut dokumentierten Vitruv, hat also das zur Zeit vorhandene, recht üppige digitale Angebot nicht gereicht, um (bereits jetzt) eine digital indizierte Einzelstudie durchzuführen, unter anderem eben wegen der unterschiedlichen Qualität der Digitalisate und deren Erschließung. In diesem Zusammenhang kommen die Historizität und Heterogenität der Bestandsdigitalisierung selber zum Vorschein, die im Laufe der letzten fünfzehn Jahre entsprechende Variabilitäten erzeugt hat. Insgesamt wäre es bestimmt interessant für Vitruv-Forschergemeinschaft, auf eine auch eine unkomplizierte, kollaborative Forschungsplattform zurückzugreifen, in der eigene zusätzliche Digitalisate und Erkenntnisse hätten eingepflegt werden können, und so langsam aus dem vorhandenen digitalen Angebot zu schöpfen bzw. diesen gezielt zu ergänzen.
Als Zwischenfazit bleibt im Bereich der einzelnen forschungsfragengetriebenen Analysen (die man auch als bottom-up-Prozesse verstehen kann) der Befund eines qualitativ hybriden Angebots im Bereich der Digitalisierung und der digitalen Erschließung mittelalterlicher Quellen, bei dem wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehr genau darauf achten müssen, womit wir es zu tun haben (bzw. in anderen Worten: Prüfe, bevor du dich bindest). Dies sollte jedoch kein Grund sein, digitale Quellen nicht zu nutzen, sondern auch als Ermutigung verstanden werden, sich für eine Verbesserung des Angebots und dessen transparente Dokumentation zu engagieren, und sich auch konsequent für eine entsprechende heuristische Quellenkritik (“critique des sources”) einzusetzen, wie wir es ja sonst auch bei der “traditionellen” Quellenarbeit mit historischem Material tun.
Brainstorming für eine übergreifende Dokumentation einer bestands- und forschungsorientierte Digitalisierung
Die Frage ist ferner, wie man internationale Standards, offene Schnittstellen und Best Practice-Verfahren für die Digitalisierung und Erschließung dieser Bestände nicht nur entwickeln kann (denn die gibt es ja vielfach schon), sondern auch so propagieren kann, dass Insellösungen eher vermieden bzw. mit ihren Besonderheiten anknüpffähig werden, sowie Anforderungen der disziplinenindizierten Grundlagenforschung (wie etwa mit dem Vitruvbeispiel) aufgefangen werden können.
In dieser Hinsicht wäre der Gedanke eines internationalen Digital Documentation Platform of Manuscript Collections überlegenswert (hier könnte dann Erik Kwakkel zum Beispiel nach allen digitalisierten, westeuropäischen Handschriften des 12. Jahrhunderts sammlungsübergreifend suchen, wie er es sich in seinem Wolfenbütteler Vortrag gewünscht hat). Sinnvoll wären in diesem Sinne auch grenzüberschreitende Zusammenschlüsse versierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die als interdisziplinär aufgestelltes Gremium auch methodologisch-infrastrukturell operieren und das Verhältnis von Digitalisat und analoger Vorlage sowie das Verhältnis zwischen digitalisiertem historischem Objekt und Wissenschaftlern theoretisch ausloten (im Sinne kollaborativer Zusammenarbeit, ohne top-down-Vorgehen). Dabei wären Synergien mit anderen Initiativen zu digitalen Forschungsinfrastrukturen (etwa Nedimah, Dariah u. a.) und Census-Vorhaben zur mittelalterlichen Überlieferung auszuloten und anzustreben.
Auch die Erarbeitung eines Kriterienkatalogs oder “Qualitätssigels” zur wissenschaftlichen Bewertung der digital zur Verfügung stehenden Handschriften bzw. Sammlungen sollte überlegt werden, anhand dessen die Benutzerin auf der jeweiligen Homepage übersichtlich und transparent über das Datenmaterial und dessen Aufbereitung informiert wird, und ihr auch die Möglichkeit eines direkten Feedbacks gegeben wird (etwas was ich mir schon lange für das VD16 und VD17 zum Beispiel wünsche). Notwendig sind ferner die Entwicklung und Auslotung von konkreten Benutzerszenarien und Benutzerstudien, mit deren Hilfe dokumentiert werden kann, welche Anforderungen an Digitalisate sowohl disziplinenorientiert als auch in übergreifender Sicht gestellt werden können und müssen.
Und schließlich sollten Studierende und der wissenschaftliche Nachwuchs frühzeitig für die Gesamtproblematik der Digitalisierung, dem Umgang mit dieser sowie ihrer Konsequenzen sensibilisiert und entsprechend ausgebildet werden – dies nicht nur in den neuen Studiengängen der Digital Humanities, sondern allgemein in den Einzeldisziplinen im Sinne einer traditionellen Heuristik und Quellenkunde im Umgang mit digitalisiertem Kulturgut.
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Für die Diskussion über und Anregungen zu meinem Eingangsstatement danke ich den Tagungsteilnehmerinnen und Tagungsteilnehmern sowie Vera Hildenbrandt (Trier Center for Digital Humanities), Falko Klaes (Universität Trier, Ältere Deutsche Philologie) und Georg Schelbert (Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Kunstgeschichte).
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Literatur (Auswahl)
Claudine Moulin, Multiples vies paratextuelles: Vitruve, De Architectura, 2013 (abrufbar unter: https://annotatio.hypotheses.org/222)
Nicholas Negroponte, Being Digital, New York 1996
Ségolène Tarte, Interpreting Ancient Documents: Of Avatars, Uncertainty and Knowldege Creation, ESF exploratory workshop on Digital Palaeography, Würzburg, Germany, https://tinyurl.com/esfDPwkshp, Talk given on 22d July 2011(https://oxford.academia.edu/SegoleneTarte/Talks/49627/Interpreting_Ancient_Documents_Of_Avatars_Uncertainty_and_Knowldege_Creation)
Virtuelles Skirptorium St. Matthias: https://www.stmatthias.uni-trier.de/ (DFG-Projekt
ECodicology: Algorithmen zum automatischen Tagging mittelalterlicher Handschriften: https://www.digitalhumanities.tu-darmstadt.de/index.php?id=ecodicology (BMBF-Projekt)
]]>Setting the frame
The following text is based on a talk I gave at the workshop “Research Conditions and Digital Humanities: What are the Prospects for the Next Generation?” (#dhiha5) organized in Paris on the 10/11th of June 2013 by Mareike König, Georgis Chatzoudis and Pierre Mounier. It is thus a work in progress, presenting thoughts in a flux, including personal remarks that I originally didn’t want to keep for the written version, but then decided to maintain, not least because of the encouragement of colleagues who read the text and of the reaction of the audience at the Paris workshop.
My contribution takes into account the preliminary statement of the working group of Panel IV of the workshop (“Career, Financing and the Academic Recognition of Achievements in the Digital Humanities”), and the blog contributions to this workshop. It is also based on the work done in the Standing Committee for the Humanities of the European Science Foundation (ESF) under the chair of Milena Žic Fuchs, as well as my one experiences in the domain of the Digital Humanities and as the director of one of the oldest extant European Centers of Digital Humanities, the Trier Center for Digital Humanities, that was founded more than 15 years ago.
In this context, I would like to draw attention to two publications of the ESF dedicated to the Digital Humanities, where some of the topics of the workshop have been tackled and also have led to recommendations for the science policy makers, the scientific community itself and other stake-holders involved in Digital Humanities. In the Science Policy Briefing “Research Infrastructures in the Humanities” that I chaired, the expert group put a special focus on the evaluation of digital research and its outputs, on communities of practice, education and training and last but not least, academic recognition. This publication was a true joint and collaborative effort in the best sense and in an genuine spirit of the Digital Humanities: On the whole, more than 80 experts from Europe and beyond were involved in its making, a. o. either through participating in the preliminary discussion or at the Strategic Workshop in Strasbourg in 2010, close-reading and assessing the paper (including anonymous peer-evaluation) or, for example, through concrete contributions in form of case-studies and testimonies. In another ESF publication in the context of the Young Researchers Forum with the title “Changing Publication Cultures in the Humanities“, chaired by Margaret Kelleher, Digital Humanities played a central role, and recommendations have also been formulated concerning the professional development of early-career researchers addressed to the early-career researchers themselves as well as to senior scholars.
The preliminary statement of the working group in Panel IV by Anne Baillot, Natalia Filatkina and Anika Meier identifies three main areas on which the analysis of the topic and the subsequent propositions were focused: the recognition of persons, the recognition of performances, and early career as a long term career perspective. The paper gives a precise description of the central challenges and focuses especially on the situation in Germany and France when looking for answers to one of the main questions underlying this panel, namely “How can a young researcher construct a DH career?”.
I would like to develop the panels subject by highlighting the three dimensions included in the panels title “Career, Financing and Academic Recognition of Achievements”
Career
Reading the different blog posts on this topic and the text by the working group we can identify on the one hand elements, challenges and problems linked to the position of early-career researchers in a generic context, that is a context not specific to digital humanities, but in a global sense applying to all academic disciplines – this is well illustrated in the charts and tables provided by the working group of the panel:[1] I would like to highlight especially the intrinsic, almost “god-given” nature, the stiff hierarchic disposal and traditionality of existing career development paths (in universities, research centers and academies), though of course we can observe some changes and reform efforts. This epistemic master map of Academia roots in traditional 19th Century concepts, with a strong hierarchic verticalization in the way Academia is conceived and a deeply gender conditioned, specific conception of status groups in their societal organization. As a linguist, I note the metaphors used in this context: you are down or up the career path, the same thing for the age scale with the opposition young vs. senior, not mentioning the gender issue or the opposition between the so called hard sciences and (soft) humanities. In my opinion, this academic construction and the “rules of the game” need a rethinking, a reconfiguration and redefinition. Furthermore, the loads and constrictions of working contracts, administrative constraints (in Germany, for example, the problem of the “Kettenverträge” (fix-term, consecutive employment contracts), the lack of transparency and the système de vase clos (i.e. the isolated and closed context) of some academic systems, only to mention a few elements on this to-do-list, have thus to be revisited.
But on the other hand, as an optimistic person, I am wondering if the developments taking place, especially in the Digital Humanities, will not be one of the driving (even if unconscious) forces behind such a transformation process – in other words, if the issues raised by careers in the Digital Humanities will not be one of the flash points or catalysts for undergoing and future reforms of academic organization, career development and a new drawing of the academic organigram.

Kevin Day “A critical introduction to unbounded consciousness (Slavoj Žižek: qualia, mind and self)” (iFormations, UBC Vancouver – DH2012 Hamburg)
The Digital Humanities indeed bring a series of specific dimensions and challenges concerning the career topic. Some of the key elements of a researcher’s career in the Digital Humanities rely on novel, underlying prerequisites, that question the functioning of research as a whole and that are closely related to the nature of research in this emerging field, comprising among others: the hybridity of the research methods and scientific approaches, the multimodality of the underlying research topics respective the combination of approaches, the crosslinking or interconnectedness not only of data but also of research topics and the persons involved, emerging in inter- and transdisciplinarity and collaborativity, and– this is a genuine renaissance in Science, constitutive of the Digital Humanities outside the Anglo-Saxon world – multilingualism. True actors involved in Digital Humanities research are thus no more only mono-dimensional, i.e. coming from one well defined discipline or thematic field (though a solid disciplinary expertise is of course important) or confined in the corset of one language. In the same way, Digital Humanities are not a mono-dimensional issue (even though some might like to limit them for example to computer linguistics or (re-)interpret them as a mere offspring of computer sciences).
The consequence in the career dimension of these underlying epistemic criteria demand a. o. an equitable and fair visibility of the work done by the eHumanist (i.e. the humanities scholar applying, modeling and reflecting DH-technologies) as well as the IT-specialist and technical staff involved in this inter-/transdisciplinary endeavor. Concretely, we are talking about job grading, wage classifications and opening career paths to so-called “Quereinsteiger” (lateral entrants) on the level of the research and technical collaborators as well as promotion strategies on high scale positions, as the professor level. This is an issue I am facing day to day in the academic institutions I am involved in or I am evaluating on a national and international level. It is for example habitual practice, that the PhD in the Humanities is getting 50% of a researcher’s position, the one in informatics (due to stronger competition with the private industry) 75% or 100% of it. Not to speak of the technician whose pay is so low that I’m desperate about it, and in great trouble with the board of finance audit if I want to promote him. And why should the member of the technical staff involved in Digital Humanities research should not be allowed to get funding in order to present papers at scientific conferences or travel to such?
Besides the fact that contracts are often limited in time and subdued to strict administrative constraints, we thus have also to face a high fluctuation of staff, especially in the technical sector, and this is not to the benefit of the research projects we are carrying out. Many of these issues are in my opinion intrinsically linked to the question of academic recognition, but also to the financing aspect.
Financing
The difficult economic situation we are facing for the moment is of course a global one, but it becomes more and more a burden for career development in the Humanities, as Humanities are – in contrast to the so called hard sciences – a fragile partner, and thus, and in lack of equal strong political endorsement and lobbying, often the first prey for cost cuttings.
In this context, it is interesting to observe that the Digital Humanities are on the whole being given (in comparison to traditional humanities research) a series of good and interesting funding opportunities on a national and international level. In some sectors, Digital Humanities will in fact be almost the only possibility of raising funds in humanities research, especially on the European research level. A similar observation concerning infrastructural development can be made regarding the vivid creation of DH Centers (for example in Germany) and professorships in the last few years. And, we’ve all noticed as a side effect the growing amount of people suddenly being interested in doing Digital Humanities, though they maybe didn’t want to have anything to do with it a few years ago and are not really engaged in it either.
Regarding funding opportunities, in Germany, for example, there is already a long tradition to be noted; several DH-calls with large funding possibilities have been launched in the past years by the Ministry of Education and Research (BMBF), and the DFG, the German research funding agency, has been supporting and funding DH-projects since the beginning. The concentration of grants was initially particularly focused on building infrastructures and information systems as well as digitizing textual heritage in libraries. This phase of digital resource building is still vital and an important prerequisite for research in the Digital Humanities, but the scientific community and research stakeholders are now intensifying efforts to genuine digital humanities research with an own theoretical foundations, methods and modeling, especially also for non-textual artifacts. It is noticeable that if the number of DH-projects raises significantly in the next years, we will be having a shortcut of (wo)manpower in the domain, though the situation of precarity of young researchers, as Pascal Arnaud coined it for the French system, will be building the major (rather depressing) challenge in the years to come. Thus, the questions of training, mentoring and education (for example in the university curricula) and being able to keep excellent researchers and know-how at a university or research center with interesting career opportunities will be becoming more virulent than ever, and this probably already in a relatively near future. This development will challenge more funding than the one offered by traditional ‘punctual’ research programs by ministries and funding agencies, and this new situation calls for and is already leading to infrastructural changes, financial investments and strategic setting of the points in the longue durée by the entities actually responsible of Academia, i.e. the universities, the research centers and the academies, preferably in a joint effort.
Academic Recognition of Achievements
Let me begin this chapter with a few personal remarks: When I was appointed to the chair of Historical Linguistics and named director of the Trier Center for Digital Humanities ten years ago, several colleagues came to me, telling me “to shut the thing down”. This of course only raised my sense of resistance, yes, one might call it renitency, and instead, I decided to enter uncharted territories, set my efforts in the wonderful team we had, foster young researchers careers, get back young researchers that had left in the years before my appointment and develop the Center for the future to come. As things grew, and the Center was evolving as one of the main third party funding actors of the university, we became noticeable, even if we still were considered being something different, outside the traditional research fields. Until today, though we have established ourselves on the academic chess board, I have met more than one curious situation hearing myself having “charming research ideas” or being the fund raising “milk cow” doing “digital stuff”. These are of course punctual experiences, the positive reactions, encouragements and promotion of the Center by the university governance and the competent ministry having been really great, and first offshoots of the center having obtained positions and chairs for Digital Humanities themselves elsewhere. But, these anecdotes are quite symptomatic for the field of Digital Humanities as a whole.
Things can thus also be seen in a more fundamental perspective: Of all the intellectual and technical turns the Humanities and Social Sciences have made in the last Century the digital one seems to be of another nature and of a broader impact, even if not everyone in Academia might be enthusiastic about this. The development of digitality (to take up Nicholas Negroponte’s term) is not only of societal relevance in general, as it changes our everyday lives and communication structures; it also has a deep impact on the academic world and the way we do research and thus our everyday scientific life. Yet, as mentioned, we meet doubters and skeptics every day. And all of us know of the topos-like situation of the discussions that emerge and all of us have made more or less funny experiences of this kind. These experiences all sum up to the words: Digitality is undoubtedly changing Academia, but how much changing should it be? … The changes I’m referring to are not only a content matter and a way of assessing or even coping with digital driven research, it’s probably more the subsequent consequences of these changes that – like a snow ball – are hitting the whole academic system and profoundly modifying it. And this, as new or unknown things or situations use to do, also brings a certain amount of fear along. In fact, some still might not know if they want to love it or reject it.
The issue of recognition is thus for the Digital Humanities a crucial one. Though – as a senior researcher – I could look at this issue (respective the experiences I’ve made with it) in an easygoing way, I am convinced that this is where the scalpel has to be put at. And, I am, in a sense, not really sure that we have a generation problem in Digital Humanities as a field, but this would be the topic for another panel.
The preliminary statement of our the three panelists distinguish regarding the recognition issue pertinently between the recognition of persons and the recognition of performance. We can add, at another level, the recognition of the discipline, if we want to call Digital Humanities as such (for me personally, it is a good strategic, working hypothesis). We might even consider Digital Humanities as a meta-discipline, as Vera Hildenbrandt suggested it before the conference, while reading the draft of this paper. And our French colleague, Pascal Arnaud, also took up the term in his statement concluding our panel.
In this context, a number of changes in the way Academia is conceived today are essential, and I would like to formulate some fundamental ones here, in a nutshell, and taking into account the recommendations we formulated in the ESF-Science Policy Briefing[2].
First, the change towards a culture of recognition that accepts the research character and process-oriented nature of projects in the Digital Humanities and that of digital, open access publications. This change is more than a change of recognition, it is a change of culture.
Second, the change of publication cultures and recognition of these new publication cultures as equal to traditional ones. This involves new formats of publications of the results and achievement in Digital Humanities and recognizes its diversity across the Humanities, ranging from the monograph (which still keeps its importance as genuine scientific genre, even it might be undergoing transformations), the article, the database and data visualization, the scientific blog to micropublications in different forms.
Third, the change of evaluation culture and thus recognition of new types of academic output, taking into account that Humanities and Social Sciences cannot be measured with the same instruments than the hard sciences.
Fourth, the consideration and recognition of language and multilingualism as a key element of European research and its dissemination/publications. Doing Humanities in Europe (and in other non-Anglo-Saxon parts of the world) means for example that we are undertaking research on primary data that is not necessarily or per se in English. The witnesses of our history, culture and languages have to be dealt with in their original forms and are equally important (for example in large strategies in digitizing cultural heritage), if research in the Humanities doesn’t want to give up its own fundaments, and eventually collapse. This diatopic, diachronic and diastratic diversity has thus a two-fold dimension: the one of the essential objects of our research, and the metalanguage(s) we use to communicate about this research.
Fifth, the establishment of more comprehensive and transparent clearing mechanisms to secure scholarly reliability and the proper recognition of this research across international, inter- and transdisciplinary collaborations.
Sixth, the fostering of inter-, transdisciplinary and collaborative tools and teams as well as the scientific recognition and rewarding of the contributing persons and competences, that is the humanistic and the technical sides.
And last, the proper recognition, mentoring, training, credit and career perspectives for the young generation of researchers working in and applying Digital Humanities research. I can only stress the importance of enabling these voices to be heard and also encouraging young researchers to articulate their wishes, claims and visions for this new, emerging field of research.
This is of course not an exhaustive list, and is rather a quarry for further thinking in the community and as a scratchpad for the planed Manifesto by the working group of #dhiha5.
REFERENCES (selection)
All the images shown are from the wonderful exhibition “iFormations” by Nathan McNinch, Kevin Day and Yan Luo. Curated by Ksenia Cheinman (UBC Vancouver, August 1 – August 31, 2011), that we were also able to show at the DH2012 in Hamburg. Ksenia Thank you to Ksenia and to Kevin, Nathan and Yan for making this possible!
Pascal Arnaud, Statement at the #dhiha5, Panel IV, Paris 11th June 2013
Anne Baillot, Natalia Filatkina, Annika Meier, Working Paper #dhiha5 Panel IV: Career, Financing and the Academic Recognition of Achievements in the Digital Humanities, June 2013
Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2013
Changing Publication Cultures in the Humanities, Young Researchers Forum, ESF Humanities Spring 2011, February 2012
Arianna Ciula, Julianne Nyhan, Claudine Moulin, “ESF Science Policy Briefing on Research Infrastructures in the Digital Humanities, Lexicon Philosophicum: International Journal for the History of Texts and Ideas, [accepted, in press]
Claudine Moulin, Arianna Ciula, Julianne Nyhan et al., Research Infrastructures in the Digital Humanities, ESF 42 Science Policy Briefing, September 2011
Nicholas Negroponte, Being Digital, New York 1996
Michael Schmalenstroer, Digital Humanities als Generationenkonflikt, Blogpost 2. Juni 2013 (schalenstroer.net)
Aujourd’hui je participe au site Day of Digital Humanities 2013 (Day of DH), une sorte de grand carnet de notes et journal de chercheurs et chercheuses travaillant dans le domaine des humanités numériques. Cette année, le site est accueilli par l’insitut MATRIX (The Center for Humane Arts, Letters & Social Sciences Online) de la Michigan State University, et nous allons y retrouver pendant 24 heures des passionnés des humanités numériques du monde entier.
Soyez nombreux à participer, à discuter et à lire les contributions!
My digital day – ma journée numérique se trouve ici.
]]>Encore un personnage fascinant. Joseph Furttenbach l’ancien (1591-1667) était architecte et un polygraphe dédié aux arts mécaniques, mathématiques et architecturaux; tout comme son contemporain Nurembergeois Georg Philipp Harsdörffer, il peut être considéré comme un acteur clef pour la transmission du savoir en Europe à l’époque de la guerre de Trente ans, et plus particulièrement pour les échanges culturels entre l’Italie et l’Allemagne. Né à Leutkirch, Furttenbach résida jusqu’à sa mort à Ulm, en Allemagne du Sud. Avant de s’établir à Ulm, il passa plusieurs années en Italie, où il étudia le dessin, la pyrotechnique, l’architecture militaire, civile, navale ainsi que l’art de la construction des théâtres, des jardins et des grottes, notamment à Gênes, Milan et à Florence. Furttenbach est l’auteur de nombreux ouvrages sur l’architecture et les sciences mécaniques, mais il signa aussi un récit fort remarqué sur son voyage en Italie, qui l’amena par diverses étapes jusqu’à Rome (« Newes Itinerarium Italiae », Ulm 1627). Furttenbach a su combiner aussi bien le savoir théorique et érudit que l’application pratique de l’architecture dans les domaines les plus divers. Il érigea à Ulm plusieurs édifices et bâtiments, notamment un grand théâtre (1641) et sa maison privée, dotée d’un somptueux jardin avec une grotte à coquillages, d’un cabinet d’art, d’une bibliothèque et d’une collection d’armes.

J. Furttenbach, Architectura privata, Augsburg 1641 (la masion privée de l’auteur à Ulm, Sterngasse 1)
Dans une approche philologique et du point de vue de l’histoire culturelle et artistique, il est intéressant de se pencher sur l’œuvre de ce médiateur du savoir architectural entre l’Italie et l’Allemagne à l’époque baroque, notamment sur les processus de transformation de ce savoir par les médias du livre imprimé et du manuscrit et aussi du point de vue de la construction linguistique d’un vocabulaire technique allemand (y compris les emprunts linguistiques venant de la langue italienne). Joseph Furttenbach fut jusqu’à présent peu étudié dans son ensemble et dans une optique interdisciplinaire, la littérature scientifique se penchant surtout sur des domaines privilégiés de son œuvre comme le théâtre, les machines, les jardins ou des questions spéciales touchant l’histoire de l’architecture ou la mécanique, par exemple. Le domaine des échanges linguistiques et une analyse globale de son œuvre sur la toile de fonds de l’époque baroque restent de là un désidérata que nous aimerions combler par un travail interdisciplinaire entre philologues et historiens de l’art (cf. pour le côté linguistique l’Institut de philologie germanique à Trèves, notamment les travaux d’Anne Jahr, et pour l’histoire de l’art l’équipe de Stephan Hoppe à Munich). Nous comptons intégrer dans ce projet de recherche les nombreux imprimés de l’auteur, mais aussi les actes et documents manuscrits, conservés aujourd’hui dans les archives de la ville d’Ulm.
Un tel travail peut aujourd’hui se faire en utilisant les possibilités des humanités numériques – la création d’un portail regroupant les différentes informations et documents sur Furttenbach serait dans ce cadre primordial et éviterait de devoir chercher fastidieusement sur différents sites et pages sur internet. Par exemple, toute l’œuvre imprimée de Furttenbach est en principe accessible sous forme digitale (dans des qualités fort différentes), mais répartie sur plusieurs sites de grandes bibliothèques allemandes et européennes, ainsi que des sites bibliographiques chronologiques ou thématiques, comme le VD17 qui recense les imprimés allemands du XVIIe siècle dans les bibliothèques allemandes. Le réseau digital des grandes bibliothèques suisses (www.e-rara.ch) en possède le plus grand nombre, les imprimés de Furttenbach y sont bibliographiés et digitalisés en excellente qualité, permettant une recherche approfondie et une bonne analyse des imprimés. Mais ces titres (et les liens vers les versions digitalisées) ne sont malheureusement pas (encore) répertoriés sur le portail des imprimés allemands du 17e siècle (VD17), hébergé en Allemagne. Les frontières nationales semblent pour le moment mettre des barrières artificielles à la recherche, et ceci est problématique quand il s’agit d’employer ces sites comme des vrais outils de recherche. Ici aussi, il serait intéressant de réfléchir sur la possibilité d’une communication collaborative entre chercheurs spécialisés dans l’histoire du livre imprimé et les sites en question, afin de compléter ceux-ci et leur donner une meilleure performance et fiabilité, ne fût-ce aussi pour valoriser les informations déjà présentes dans le monde digital. Il serait aussi souhaitable de concevoir un site pour les œuvres allemandes, semblable à celui du portail français architectura (et relié à celui-ci), qui documente les livres d’architecture (manuscrits et imprimés) en France ainsi que ceux écrits ou traduits en français aux XVIe et XVIIe siècles.
Joseph Furttenbach sera le sujet de ma conférence ce soir à l’EPHE/INHA.
Bibliographie (sélection)
Berthold, Margot: Joseph Furttenbach von Leutkirch, Architekt und Ratsherr in Ulm (1591-1667). In: Ulm und Oberschwaben. Zeitschrift für Geschichte und Kunst. Band 33. 1953, 119-179.
Dietzel, Senta : Die Gartenentwürfe Furttenbachs des Älteren. Nürnberg 1928.
Jahr, Anne: Joseph Furttenbach, Architectura civilis. Ulm 1628, Studien zum italienischen Lehnwortschatz des Barock” (Staatsexamensarbeit. Université de Trèves 2010; et projet de thèse de doctorat “Transformations du langage de l’architecture en Italie et en Allemagne à l’époque baroque” ).
Kruft, Hanno-Walter: Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart. München 1985.
Lazardzig, Jan: Theatermaschine und Festungsbau. Paradoxien der Wissensproduktion im 17. Jahrhundert. Berlin 2007.
Öhmann, Emil: Über den italienischen Einfluss auf die deutsche Sprache bis zum Ausgang des Mittelalters I. Helsinki 1942.
Pfister, Max: Italienische Einflüsse auf die deutsche Sprache. In: Mediterrane Kulturen und ihre Ausstrahlung auf das Deutsche. Marburg 1986, 53-64.
Schütte, Ulrich: “Architectura alla Moderna” und die “Teutsche Manier”. Rubens‘ Palazzi di Genova und die Neuorientierung der Deutschen Architektur bei Joseph Furttenbach der Ä. (1591-1667). In: Lombaerde, Piet (Hg.): The reception of P.P. Rubens’s Palazzi di Genova during the 17th century in Europe: Questions and problems. Turnhout 2002, 143-160.
]]>Sous cette approche, l’aspect fondamental de la transmission médiale et matérielle de ce texte mérite l’attention, elle dévoile, ce que j’aimerais appeler, des multiples vies. Bien sûr, nous ne possédons pas l’original du texte, et ce manque semble aussi être une chance inouïe. A travers l’histoire complexe des filiations textuelles, nous voyons les nombreuses copies et éditions essayant d’établir une sorte de dialogue avec un texte source virtuel et en quelque sorte aussi le transcender. Par exemple, nous savons grâce au texte retransmis que le traité contenait des illustrations (dont une, une rose des vents semble s’être perpétuée), mais celles-ci restent perdues … et ces images fantômes, alliées au texte existant, engendreront la fantaisie et l’impulsion créatrice de générations ultérieures de scribes et lecteurs, savants comme hommes du métier, les architectes.
Nous notons la transformation matérielle à travers les temps. Ecrit sur des rouleaux de papyrus vers les années 33 à 22 av. J.C., nous retrouvons le traité de Vitruve à l’époque carolingienne sur parchemin dans le fameux manuscrit MS Harleianus 2767, probablement commandité par Charlemagne et qui représente la plus ancienne copie existante de notre texte. Le traité n’est donc pas tout à fait inconnu au Moyen Âge. Il sera surtout mis en mire de façon plus intensive par les humanistes italiens, notamment Boccace et Pétrarque. De ce dernier nous avons un manuscrit annoté de sa propre main (vers 1350), aujourd’hui conservé à la Bodleian Library à Oxford. Une réception profonde du texte débuta avec l’humaniste florentin Poggio Bracciolini, qui découvrit en 1416 un exemplaire du texte dans la fameuse bibliothèque de St. Galle, en Suisse. Et, bien-sûr, ce sera l’époque de la Renaissance où le texte jouera un rôle éminent, notamment en Italie aux 15e et 16e siècles, et aussi encore plus tard au 17e (par exemple sous Louis XIV avec la grande édition illustrée et traduction de Claude Perrault en 1673). En Italie, tous les grands noms de l’architecture se retrouvèrent en contact avec et autour de ce texte canonique, donnant un accès à l’art de construire de l’antiquité classique et apportant beaucoup d’énigmes aussi: Alberti, Bramante, Cesare Cesariano, Raphael, Antonio da Sangallo le jeune et Leonardo da Vinci pour en nommer que quelques-uns. Plusieurs d’entre eux essayèrent de traduire le texte ou de le faire traduire en italien (et l’illustrer), comme Cesariano, Raphael ou Antonio da Sangallo.
Avec l’apparition de l’imprimerie vers le milieu du 15e siècle une autre forme de matérialité de la transmission du savoir et de la diffusion des idées émergera, avec un autre support (le papier), une nouvelle vélocité et moins onéreuse que le parchemin écrit à la main. Il ne surprend donc pas que le texte de Vitruve soit lui aussi rapidement arrivé dans les officines, et cela peu après le début de cette invention. Comme avec beaucoup d’autres écrits, une comparaison avec la Bible ne serait pas exagérée, c’est grâce à l’imprimerie que les Dix livres d’architecture vitruviens vont pouvoir se répandre comme un feu à travers l’Europe, ouvrant ainsi le texte pour des couches de lecteurs diversifiées, dont aussi les architectes, loin du monde plutôt fermé des savants et hommes de lettres.Une première édition sera éditée par Giovanni Sulpizio da Veroli et publiée à Rome vers 1486 (l’identité de l’imprimeur est incertaine). Cette édition est un point charnière en ce qui concerne l’histoire de la transmission du texte de Vitruve dans le cadre du changement médiatique et aussi pour l’étude paratextuelle: je la qualifierai de seuil, un objet délibérément non clos, faisant une offre, une proposition à ses lecteurs et dont l’éditeur est conscient des limites et des fautes. La mise en page est toute dans la tradition du livre médiéval, laissant de larges marges – et ceci délibérément comme le révèle Sulpizio dans sa lettre au lecteur. Il explique qu’il a laissé de larges marges et de la place libre pour que des lecteurs plus compétents que lui puissent y faire leurs ajouts et corrections et bien sûr aussi y ajouter les illustrations lorsqu’il y en aura. Voici donc un support où texte et paratextes sont conçus comme compléments, et les lecteurs sont appelés à se joindre à un effort collaboratif de la reconstruction du texte original et aussi à en faire son exégèse.
![https://www.lincei-celebrazioni.it/iniz_vitruvio_foto4.html Vitruve, édition de Giovanni Sulpizio da Veroli, Rome: s.a. [ca. 1486], Ms Corsini 50. F.1, (Exemplaire de Giovanni Battista da Sangallo)](https://annotatio.hypotheses.org/files/2013/03/SanGallo112-363x500.jpg)
Vitruve, édition de Giovanni Sulpizio da Veroli, Rome: s.a. [ca. 1486], Ms Corsini 50. F.1, (Exemplaire de Giovanni Battista da Sangallo)
Sans les notes de ce lecteur attentif – et sans les notes et traces dans les autres manuscrits et imprimés vitruviens de l’époque– nous saurions beaucoup moins sur la conception de l’architecture de l’Antiquité par les artistes et architectes de la Renaissance, une conception qui va aussi influencer leur façon de bâtir et concevoir l’architecture. L’impact vitruvien est tangible non seulement à travers l’histoire de transmission de son texte, mais aussi dans le travail concret des architectes de l’époque. Vitruve y laisse ses traces, par exemple aussi dans les croquis des artistes et architectes et les paratextes qu’ils y insèrent. Ainsi, un autre Sangallo, Antonio da Sangallo le jeune (le frère de Giovanni Battista), note à côté d’une de ses ébauches pour un portail ionique: “Non sta bene fu delle prime io facesse / non avea anchora inteso vitruvio / bene” (“Ce n’est pas bien, c’était un des premiers que j’ai faits; je n’avais pas encore bien compris Vitruve”).[i]
En fait ce serait un très beau projet de recherche interdisciplinaire d’étudier la réception de l’architecture à la Renaissance et à l’époque baroque bar le biais des inscriptions paratextuelles et autres traces laissés par les lecteurs dans les traités et dessins d’architecture, une idée d’un portail de recherche interdiscipilinaire et numérique que j’aimerais approfondir lors de ma conférence ce soir à Paris à l’EPHE/INHA.
Littérature (un petit choix)
Frédérique Lemerle – Yves Pauwels, Portail Architectura. Architecture, Textes, Images. XVIe et XVIIe siècles, Centre d’études supérieures de la Renaissance, Tours (https://architectura.cesr.univ-tours.fr/)
Claudine Moulin, Fascinating Margins. Towards a Cultural History of Annotation (02/2013, https://annotatio.hypotheses.org/93)
Vitruvius Pollio, Ten Books on Architecture: The Corsini Incunabulum with the annotations and autograph drawings of Giovanni Battista da Sangallo. Edited, with an introductory essay, by Ingrid D. Rowland , Rome: Edizioni dell’Elefante, 2003 (avec une introduction qui donne un aperçu sur les contextes historiques et une courte édtion des annotations)
et … merci à Georg Schelbert (@schelbertgeorg) et à sa profonde connaissance de l’oeuvre de la famille Sangallo.
[i] Il s’agit d’un dessin datant environ de 1527 qu’Antonio avait érigé dans les années 1510 (Florence, Gabinetto dei Disegni e Stampe dei Uffizi 989 recto); le portail ionique est décrit chez Vitruve dans le quatrième livre (IV, 6, 3–4).
Harsdörffer fonda lui-même à Nuremberg le Pegnesischer Blumenorden (« Ordre des Fleurs de la Pegnitz»). Avec ses écrits et ses activités sociétales Harsdörffer sera une des principales figures de l’échange culturel dans l’Europe du XVIIe siècle. Cette personnalité baroque a été beaucoup étudiée dans le cadre de la recherche en philologie, aussi bien du point de vue de la littérature que de la linguistique, depuis quelques années cet auteur est aussi dans le point de mire d’autres disciplines, notamment de la musicologie et de l’histoire de l’art, mais jusqu’á présent moins dans le domaine de l’histoire de l’architecture. C’est cet aspect que je soulignerai lors d’une conférence à l’EPHE/Sorbonne à Paris aujourd’hui.
Harsdörffer fait non seulement usage de métaphores architecturales pour expliquer son système linguistique et sa conception de la langue allemande (cf. Moulin 2011), comme par exemple dans la gravure de page de titre de son Specimen philoogiae germanicae paru en 1646.
A côté de cet emploi de l’architecture comme instrument métaphorique dans la pensée linguistique, Harsdörffer réfléchit aussi directement sur l’architecture, entre autres dans ses deux grandes œuvres encyclopédiques et récréatives, les Deliciae physico-mathematicae et les Jeux de Conversation pour Dames (Frauenzimmer Gesprächsspiele, = FZG). Dans ces deux ouvrages il désigne l’architecture comme le plus grand de tous les arts, comme le „allernohtwendigste zu deß Menschen Leben“ (Delitiae, II, 531; “le plus indispensable à la vie de l’homme”). Dans les Jeux de Conversation, Harsdörffer indique que „Vnter allen Sachen/ welche Menschen Sinn erfunden/ ist keine der Göttlichen Allmacht gleichständiger/ als das kunstrichtige Gebäu“ (FZG VIII, 432; “De toutes les choses que l’esprit humain a inventé il n’y en a aucun qui soit plus semblable à la puissance divine que l’édifice architectural construit selon les règles de l’art”). L’architecte est vu comme une personne érudite avec des connaissances profondes dans les autres arts et sciences et c’est à lui qu’incombe un rôle central dans le processus de la création artistique. Harsdörffer note „Der Baumeister ordnet alles nach seinem Wolfallen/ nachdeme ihn seine Kunst anweiset“ (FZG, VIII, 434; “L’architecte ordonne tout selon sa satisfaction, comme son art lui indique de faire”).
Dans ses ouvrages, Harsdörffer nous donne un tour d’ensemble de l’architecture telle qu’il la vue lui-même lors de son Grand Tour mais aussi en se basant – compilateur qu’il est – sur les topoi classiques et des nombreuses sources, notamment antiques, italiennes mais aussi allemandes. Les questions traitées vont de considérations générales, culturelles et artistiques jusqu’à des domaines plus techniques dans les Deliciae Physico-Mathematicae, dont les textes et les exercices posés essaient de garder un caractère divertissant.
Intéressant pour nous est aussi la conception du théâtre en tant que bâtiment que Harsdörffer laisse naître dans les Jeux de Conversation pour dames au fil d’une discussion entre ses protagonistes, accompagné d’illustrations qui déclinent les différentes possibilités de l’architecture et du décor de la scène (FZG VI, “Der Schauplatz”), le théâtre étant divisé en trois parties: le rideau, la scène elle-même et le recouvrement du plafond. Nous y trouvons des réminiscences avec l’architecte italien Sebastiano Serlio (Libro …d’architettura, deuxième livre, Venise 1566).
Dans les Delitiae physico-mathematicae Harsdörffer divise l’architecture comme le veut la tradition en architecture civile et l’architecture martiale. Les Delitiae thématisent toutes sortes de questions architecturales, par exemple des problèmes concrets de construction, ou la Tour de Pise, les fortifications, les ponts, les palais et la construction de chambres où l’on peut écouter les autres et bien-sûr les cinq ordres (de colonnes). Il mentionne comme sources et ouvrages de référence les grands noms et œuvres topiques de l’architecture de la Renaissance comme l’édition de Vitruve par Guillaume Philandrier (1505-1563), Gaudenzio Merula (1500-1555), Diego Sagredo (ca. 1490- ca.1528), Leon Battista Alberti (1404-1472), Sebastiano Serlio (1475-1554), Giacomo Barozzi da Vignola (1507-1573).
Un fil rouge dans tous les écrits harsdörfferiens sur l’architecture est celui de la terminologie, est c’est ceci qui m’intéresse aussi en tant que linguistique. En analysant les Delitiae j’ai par exemple remarqué que la terminologie étrangère (notamment latine) va diminuer, par exemple dans les registres en fin des volumes. En plus, Harsdörffer consacra beaucoup de pages à des réflexions sur la façon de transposer le vocabulaire architectural en allemand, quitte à donner deux variantes par exemple pour pyramis mit „Seulspitze/ Flammseule“. Ces observations peuvent servir à répondre in nuce à la question comment le vocabulaire architectural s’est forgé en allemand à l’époque baroque, et à partir de quand il s’est établi dans les traités d’architecture en Allemagne, une piste que nous suivons à mon institut à Trèves également pour l’architecte allemand Joseph Furttenbach l’ancien (1591-1667).
Ces travaux de recherche ne pourront se faire que dans un contexte interdisciplinaire, et c’est pourquoi je suis très heureuse de pouvoir partager mes analyses et résultats de recherche avec les étudiants en Histoire de l’Architecture de l’EPHE ce semestre dans le cadre d’une invitation comme professeur invitée auprès de ma collègue Sabine Frommel. On pourrait ainsi envisager de créer une base de données numérique et un portail de recherche documentant le vocabulaire d’architecture à la Renaissance et à l’époque baroque à partir des sources, c’est-à-dire les imprimés et manuscrits originaux, conçue véritablement pour un travail interdisciplinaire, et non dans la tour d’ivoire d’une seule discipline. Une telle banque de données aiderait les chercheurs en histoire de l’architecture à mieux comprendre les documents originaux et les historiens de la langue à découvrir et analyser le processus de formation de vocabulaire spécifiques aux différents pays et cultures.
Littérature (choix de quelques titres):
Georg Philipp Harsdörffer, Frauenzimmer Gesprächspiele, I-VIII, Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1643-1649, Tübingen 1968
Georg Philipp Harsdörffer, Kunsverständiger Discurs, Von der edlen Mahlerey, Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1653, Heidelberg 2008
Georg Philipp Harsdörffer, Specimen Philologiæ Germanicæ, Nürnberg, Wolfgang Endter 1646 (VD17 3:609293B)
Georg Philipp Harsdörffer – Daniel Schwenter, Deliciae Physico-Mathematicae oder Mathematische und Philosophische Erquickstunden, I-III, Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1636-1653, Frankfurt/M. 1990-1991
Jean-Daniel Krebs, Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658). Poétique et Poésie, I-II, Bern et al. 1983
Claudine Moulin, Grammatische Architekturen. Zur Konstitution von metasprachlichem Wissen in der Frühen Neuzeit, in: S. Frommel – G. Kamecke (dir.), Les sciences et leurs langages: Artifices et adoptions, Rome 2011, p. 25-44
Verzeichnis der Drucke des 17. Jahrhunderts (VD17): www.vd17.de
Die Fruchtbringende Gesellschaft: https://www.die-fruchtbringende-gesellschaft.de (avec des liens vers les oeuvres de Harsdörffer accessibles en ligne)
]]>In this blog post I would like to point out another topic linked to the grammars in question, namely the iconongraphic dimension. On the one hand, the grammars and orthographic treatises contain themselves a rich iconographic material, for example in the form of engraved or etched title pages and/or other illustrations included in the works themselves. On the other hand, the iconographic tradition linked to the figure of the Grammatica, one of the seven liberal arts, is also worth to be traced down and reflected upon. Collecting this multifaceted material allows on the whole deeper insights in how the conception of grammar has been visualized throughout times, and also gives interesting first elements of its transformation or translational processes in metaphorical and emblematical contexts.
Well known is the figure of the Grammatica in the medieval iconographic manuscript tradition and of course Gregor Reisch’s illustration in a print of 1503. We see an oversized woman with a key in the hand and an alphabet tablet showing male pupils the way in the tower of knowledge inhabited by the (Latin) seven liberal arts, theology building the crowning top of the tower. The details of the tower have been described in the research literature (see Puff 1995, Moulin 2008), what I would like to stress today is the composition of the picture: the position of the tower outside the urban scenery we see sketched left in the picture – also the fact that Grammatica is a figure standing both outside the tower and occupying it’s lower levels, thus building a sort of link between these two very different worlds, the urban one and the one of knowledge and wisdom. The pupils have to bring first grammatical skills that have been acquired through the vernacular language outside the tower, before being let in the Latinity of the learned levels of the tower. The metaphor of the tower bases of course on biblical concepts (just think of the tower of babel and the tower of grace), and it is interesting to see how both elements, the figure of Grammatica and the tower, evolve through times.
Turm der Grammatik der Humanisten Heinrich Vogtherr d. Ä./ Valentin Boltz, Turm der Grammatik, Zürich 1548
Basing on a collection of wood cuts, etchings and other iconographic material it is thrilling to study the transformation of these two (and also other) elements linked to grammatical iconography. Just to give a few examples: in a later illustration (1548) by Heinrich Vogtherr the Elder (woodcut) and Valentin Boltz (text) we find the tower totally occupied by allegorical and hierarchically ordered grammatical fields (the other arts having disappeared). The personified (female) Grammatica is still greeting the pupils in front of the building, she is almost standing in the door. But, instead of the static imagery of the liberal arts with their protagonists looking quite stiff out of their windows in the Reisch woodcut, in this later version of the tower movement and noise are seizable, the protagonists are in motion, thus illustrating the dynamics of grammatical knowledge through physical movement and hard work.
Later, in the 17th Century, another quite insightful turn happens: the female figure of the Grammatica being replaced in some sources and metalinguistic discourses by the (male) figure of the architect, an interesting factor also in the context of the history of architecture. Moreover, the scenery will be pulled into the very core of urban life: the town itself having become the stage of action for grammar – this reveals a changed attitude to knowledge acquisition as well as the place and set of the protagonists involved in its construction. A nice example of such a transformation is to be found in the etched title page of an orthographical work by Justus Georg Schottelius, one of the most important Baroque grammarians of the German language. You can see the architect in the middle of a Baroque town scenery, giving his orders to the (language) builders, the symbolic tower having been replaced by an obelisk (see for details Moulin 2010).
Besides this substitution of the Grammatica figure with the architect, there still is of course an iconographic tradition maintaining the female Grammatica. But it can also undergo transformations, for example by moving from the very outside of the building scenery represented formally by the tower into a new architectonic environment, namely the inside of a building, as an etching of the second half of the 17th century reveals – an almost intimate and slight melancholic setting.
The collection and analysis of the different iconographic variations of grammatical knowledge can of course only be pursued on the background of the grammaticographic tradition and the changing metalinguistic discourses. A very intensive illustration practice is particularly to be found in the Baroque period and its emblematic practices, and so the text-picture relationship should also be focused on. The corpus is as good as complete for the German language, and drawing comparisons with other vernacular traditions in France, England or Italy would be a promising endeavor. In fact, this would be also a wonderful subject for a PhD-thesis….
and a special thanks goes to @Ajprescott for listening to my thoughts on this in a nice restaurant in Graz …
Literature
Claudine Moulin, Bibliographie der deutschen Grammatiken und Orthographielehren. I. Von den Anfängen der Überlieferung bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, II. Das 17. Jahrhundert, Heidelberg 1994-1997.
Claudine Moulin, Grammatik im Bild – Bilder der Grammatik. Räume des sprachlichen Wissens in der Grammatikographie der Frühen Neuzeit, in: Gewusst wo! Wissen schafft Räume: Die Verortung des Denkens im Spiegel der Druckgraphik. Ed. by Katharina Bahlmann, Elisabeth Oy-Marra and Cornelia Schneider, Berlin 2008, p. 17-36.
Claudine Moulin, Grammatische Architekturen. Zur Konstitution von metasprachlichem Wissen in der Frühen Neuzeit, in: Sabine Frommel – Gernot Kamecke (ed.), Les sciences et leurs langages: Artifices et adoptions, Rom 2011, p. 25-44.
Helmut Puff, >Von dem schlüssel aller Künsten/ nemblich der Grammatica<. Deutsch im lateinischen Grammatikunterricht 1480-1560, Tübingen – Basel 1995.
Elke Reichert, Die bildlichen Darstellungen der Grammatica bis um 1600, Hamburg 2004
See also my conference on the 15th of March 2013 at the EPHE/Sorbonne in Paris “Les métamorphoses architecturales et leur visualisation dans les traités linguistiques du XVIe et XVIIe siècles.”
Under construction: Portal “Historische Grammatikographie des Deutschen” (Trier University, German Studies, Chair of Historical Linguistics and Trier Center for Digital Humanities)
]]>Marginalia in books became a genuine research topic for me, not only from the point of view of their importance for medieval philology – but as an essential cultural writing practice that we all know of and practice in our everyday life. In dealing with writing habits, apparently an almost natural compulsion or an urge to annotate can be noticed: C’est plus fort que soi, we just can’t help it. The French library scholar Daniel Ferrer characterizes this internal compulsion as a libido marginalium,[i] author Charles Simic points out „with which demonic obsession we cover the immaculate pages of our books with underlinings and scribblings“, [ii] and continues „Wheresoever I read, I of course need a pencil“.[iii]
A French speaking reader annotating Nietzsche (in French and German)
All in all, a larger book project emerged out of my interest in this topic, dealing with this special aspect of written culture through time, namely the writing and drawing of marginalia in texts and books. These annotations and other reading traces play a special role from the point of view of cultural and linguistic history, yet, up to now, they have not been analyzed in a greater context regarding their functional means as well as their textual and material tradition. On the one hand, these “paratexts” (Gérard Genette) belong to the rare witnesses of the historic and factual use and reception of books. Mark-ups in books help to answer the question by whom, when and why texts were read. Moreover, they uncover the process of knowledge acquisition and knowledge transmission throughout the ages. On the other hand, annotations are also closely linked to the materiality of the text, and a wide variety of layout strategies and inscription types can be identified. These will undergo further transformations following the medial change of letterpress printing and the digital world which will also result in the creation of new paratextual practices. My book project aims to study the cultural and historic dimension of annotating texts taking into account wide ranging interdisciplinary aspects. The typology of the wide variety of annotations which are in evidence since the Early Middle Ages will be analyzed. Furthermore, the annotations’ changes, transformations and tradition lines up to the modern digital age will be identified. The main focus of the research project lies on the diachronic analysis of the European tradition of annotations. However, the project will also draw a comparison between the European tradition and that of other written cultures, especially in Arabic and Asian areas.
A substantial corpus documenting annotation practices has already come together, and I hope to work on the project intensively in the next two years. Of course, I would be very grateful for further hints and thrilled about curious or unusual annotation practices my readers here have come across when reading or looking at manuscripts and books.
PS. After posting this blog I opened Twitter, and saw a cat walking through a manuscript (via @ttasovac, merci!)
Further reading:
Gérard Genette, Seuils, Paris 1987
Falko Klaes – Claudine Moulin, Wissensraum Glossen: Zur Erschließung der althochdeutschen Glossen zu Hrabanus Maurus, Archa Verbi 4 (2007) p. 68-89
Claudine Moulin, Zwischenzeichen. Die sprach- und kulturhistorische Bedeutung der Glossen, in: Rolf Bergmann und Stefanie Stricker (Hrsg.), Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie. Ein Handbuch, Bd. 2, Berlin und New York: Walter de Gruyter 2009, p. 1658-1676
Claudine Moulin, Am Rande der Blätter. Gebrauchsspuren, Glossen und Annotationen in Handschriften und Büchern aus kulturhistorischer Perspektive, in: Autorenbibliotheken, Bibliothèques d’auteurs, Biblioteche d’autore, Bibliotecas d’autur, Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs 30/31 (2010) p. 19-26
See also the Project “Kulturgeschichtliche Erschließung der volkssprachigen Glossenüberlieferung des Mittelalters“, Historisch-Kulturwissenschaftliches Forschungszentrum (HKFZ), University of Trier
and the Portal “Althochdeutsche und Altsächsische Glossen“, University of Bamberg.
[i] Introduction. «Un imperceptible trait de gomme de tragacanthe …», in: Paolo D’Iorio – Daniel Ferrer (Ed.), Bibliothèques d’écrivains, Paris: CNRS Éditions 2001, p. 13.
[ii] «mit welcher Besessenheit wir die makellosen Seiten unserer Bücher mit Unterstreichungen und Kritzeleien bedecken», in: «Was ich mit meinen Büchern tue», Frankfurter Allgemeine Zeitung, 213 (15. Oktober 2008), p. 33.
[iii] „Wo auch immer ich lese, brauche ich natürlich einen Bleistift.“, in: «Was ich mit meinen Büchern tue», Frankfurter Allgemeine Zeitung, 213 (15. Oktober 2008), p. 33.
![Stadtbibliothek Trier Hs 2229/1751 8° https://dfg-viewer.de/tei-prototyp/?set[image]=7&set[zoom]=min&set[debug]=0&set[double]=0&set[mets]=http%3A%2F%2Fzimks68.uni-trier.de%2Fstmatthias%2FT2229%2FT2229-digitalisat.xml](https://annotatio.hypotheses.org/files/2013/01/StMatthiasKatalogHs2229_1751-223x300.jpg)
StB Trier Hs 2229/1751 8°, Abschrift des Kataloges aus dem 16 Jh.
Insgesamt ordnet sich das Projekt in einen größeren Zusammenhang ein, in dem seit der letzten Dekade europaweit mittelalterliche Bibliotheken und Archive virtuell erfasst, dokumentiert bzw. rekonstruiert werden (siehe auch die Übersicht der relevanten Vorhaben von Klaus Graf). Eine solche rekonstruierte, virtuelle Bibliothek wird es ermöglichen, das geistige Profil und den “Wissensraum” wichtiger mittelalterlicher Bildungszentren zu erforschen und auch durch die Rekonstruktion selber auch neue Einblicke in die Produktions- und Rezeptionsbedingungen der jeweiligen Bestände zu geben.
Aus der Arbeit des Projekts zu St. Matthias ist auch das BMBF geförderte Projekt „eCodicology. Algorithmen zum automatischen Tagging
mittelalterlicher Handschriften“ entstanden, in dem Methoden und Software entwickelt werden, die u. a. die automatische Messung, Speicherung und Analyse von makro- und mikrostrukturelle Elementen digitalisierter Handschriftenseiten ermöglicht und in den Metadaten ablegt. Unter anderem sollen metrische Daten wie etwa Blattgröße, Schriftraumgröße, Zeilenzahl, Bildfelder, Überschriften, Register, Paratexte, Marginalien, Randzeichnungen, Verhältnis von Bildraum und Textraum erhoben sowie statistisch und qualitativ ausgewertet werden. Das Projekt wird im Jahr 2013 starten (Projektpartner TU Darmstadt, Universität Trier/Trier Center for Digital Humanities, Stadtbibliotheik Trier und KIT Karlsruhe).
Am 18. und 19. Januar 2013 organisieren wir eine internationale Tagung in Trier, die sich dem Thema „Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken“ widmet. Es werden verschiedene Vorhaben, die sich im Bereich der Digital Humanities der Rekonstruktion und Erschließung mittelalterlicher Bibliotheksbestände widmen, vorgestellt sowie konkrete Falleispiele erörtert, die aufzeigen, wie diese Bestände wissenschaftlich genutzt werden können. Darüber hinaus rücken unterschiedliche Anbindungsmöglichkeiten in größere Datenrepositorien, Handschriftenportale oder Verbundprojekte (wie etwa TextGrid, Dariah, eCodicology, Manuscripta mediaevalia) in den Fokus sowie auch rechtliche Aspekte wie etwa die Lizenzvergabe (im Rahmen der Erfahrungen mit Europeana). Schließlich sollen die Anforderungen diskutiert werden, die aktuelle Arbeiten aus der Kulturgeschichte, der Kunstgeschichte, den Philologien und der Musikwissenschaft an solche digitalen Rekonstruktionen stellen. Die Tagung wird vom Historisch-Kulturwissenschaftlichen Zentrum (HKFZ Trier) gefördert und findet in der Abtei St. Matthias sowie in der Stadtbibliothek Trier statt. Das Programm ist hier einsehbar.
Gleichzeitig zur Tagung erscheint ein Sammelband über berühmte Handschriften aus St. Matthias, der auf eine Vortragsreihe der St. Matthias Stiftung und der Stadtbibliothek Trier zurückgeht. Der Band enthält ferner ein von Reiner Nolden erarbeitetes Verzeichnis der Urkundenausfertigungen der Abtei St. Eucharius/St. Matthias.
Michael Embach/ Claudine Moulin (Hg.): Die Bibliothek der Abtei St. Matthias in Trier – von der mittelalterlichen Schreibstube zum virtuellen Skriptorium: Mit einem Verzeichnis der Mattheiser Urkunden im Stadtarchiv Trier, Trier 2013
Literaturhinweise und Links:
Petrus Becker: Die Benediktinerabtei St. Eucharius – St. Matthias vor Trier (Germania Sacra, Neue Folge 34: Die Bistümer der Kirchenprovinz Trier. Das Erzbistum Trier 8), Berlin, New York 1996
Michael Embach, Claudine Moulin, Andrea Rapp: Die mittelalterliche Bibliothek als digitaler Wissensraum: Zur virtuellen Rekonstruktion der Bibliothek von Trier-St. Matthias, in: Mittelhochdeutsch. Beiträge zur Überlieferung, Sprache und Literatur. Festschrift für Kurt Gärtner zum 75. Geburtstag. Herausgegeben von Ralf Plate und Martin Schubert, Berlin 2011, S. 486-497
Falko Klaes, Trierer Glossenhandschriften, in: Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie. Hrsg. von Rolf Bergmann und Stephanie Stricker. Berlin – New York 2009, S. 1279-1296
Sabine Scholzen – Philipp Vanscheidt, “Das Virtuelle Skriptorium St. Matthias”, in: Libri Pretiosi 14 (2011), S. 67-72
Von Artikeln bis zu Zaubersprüchen. Die ältesten deutschsprachigen Texte der Stadtbibliothek Trier (Studentisches Projekt, Universität Trier, FBII/ Ältere Deutsche Philologie, Leitung: Falko Klaes)
Website DFG-Projekt Virtuelles Skriptorium St. Matthias
Das Projekt wird an der Universität Trier und der Stadtbibliothek Trier durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Projektleitung liegt bei Prof. Dr. Claudine Moulin und Prof. Dr. Andrea Rapp (jetzt Technische Universität Darmstadt) sowie bei Prof. Dr. Michael Embach (Stadtbibliothek Trier). Wissenschaftliche Mitarbeiter sind Sabine Philippi (Stadtbibliothek Trier) und Philipp Vanscheidt (Universität Trier/ Technische Universität Darmstadt). Kooperationspartner sind die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Trier, das Trier Center for Digital Humanities, Manuscripta mediaevalia und TextGrid.
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Das Vorhaben war ursprünglich als Pilotprojekt im Rahmen der Universität der Großregion konzipiert und wird durch die Idee der Interdisziplinarität sowie die dezidierte Arbeit an der Überlieferung selber getragen. Wie würden Historiker und Linguisten an den gleichen Quellen, die zum Teil noch ungehoben sind, interagieren? Wie miteinander darüber sprechen, geschweige denn diese so edieren, dass alle Disziplinen zufrieden sind? Es stellte sich schnell heraus, dass man diese Quellen nur gemeinsam verstehen und erschließen kann, und auch zunächst eine gemeinsame Sprache finden muss – eigentlich zwei gemeinsame Sprachen, deutsch und französisch. Eine der ersten Herausforderungen war es, gemeinsame Transkriptionsregeln zu entwickeln, die sowohl Historiker als auch Linguisten zufriedenstellen. Die einen normalisieren nämlich gerne, die anderen möchten am liebsten alle Schreibungen so dokumentieren, wie sie da in den Originalen stehen. Aus den Diskussionen entstanden eine Sensibilisierung und ein gegenseitiges Verständnis der Disziplinen füreinander, und so wurden dank der digitalen Technologien unterschiedliche Transkriptionstiefen erreicht.
Inzwischen sind an dieser Partnerschaft dreizehn Forscher beteiligt, Historiker sowie Germanisten und Romanisten, Doktoranden, Post-Docs, Forscher und Universitätsprofessoren – und alle hat die selber Neugierde und Faszination gepackt. Sie stammen u. a. aus dem Laboratoire d’Histoire der Universität Luxemburg, dem Centre de Médiévistique Jean Schneider et dem Centre d’Etudes Germaniques der Université de Lorraine, der Germanistik/Älteren Deutschen Philologie der Universität Trier (mitsamt Anbindung an das Historisch-Kulturwissenschaftliche Forschungszentrum HKFZ Trier) sowie dem Institut für Mittelalterliche Geschichte der Université Catholique de Louvain-la-Neuve. Das internationale Team arbeitet an eine gemeinsame Methodologie, die auch die Digital Humanities mit einbezieht. Die Analysen der Archivalien sollen sowohl auf historischer als auch linguistischer Basis möglich sein; ferner wurde eine Datenbank (entwickelt durch das ATILF/CNRS Nancy) entworfen, die die Erschließung der unterschiedlichen Fragestellungen unterstützen soll.
Die Leitidee des Projekts ist die Untersuchung des politischen, kulturellen Raumes der Großregion am Ende des Mittelalters. Sie gibt dazu Anlass, zwischen den Sprachen zu denken (« penser entre les langues »), um eine Formulierung eines vor kurzem erschienenen Buches von Heinz Wismann zu aufzugreifen.
Das Quellenkorpus des Forschungsprojekts wird gebildet durch Archivalien aus den fürstlichen Kanzleien der Herzogtümer von Lothringen und Luxembourg sowie derjenigen des Erzbistums Trier als Vergleichsebene. Wir haben es mit einer spannenden Zeit zu tun: dem 13. bis 15. Jahrhundert. Die Einflussbereiche politischer Mächte und die germanisch-romanische Sprachgrenze greifen hier vielfältig ineinander und bilden einen politisch-linguistischen Raum, der so mehrschichtig ist, dass man ihn kaum kartographisch darstellen kann. Die Wirrnisse der Zeit, insbesondere der Hundertjährige Krieg und die Pest, haben zu einer Übergangsphase zwischen den bis dahin dominierenden Feudalstrukturen und der modernen Staatenbildung geführt: die Archivalien sind dabei deren erste unmittelbare Zeugen, die es zu erschließen gilt.
Neben der gezielten Sammlung der Archivalien, die über die Großregion und Europa verstreut sind, steht die Erschließung dieser Quellen aus historischer und juristischer Sicht sowie auf der sprachlichen Ebene im Vordergrund. Diese Analyse führt zu einer vergleichenden Reflektion über die Fürstentümer, die Lehnsherrschaften und deren Praktiken, und zwar auch im Hinblick auf den Sprachwechsel und den Wortschatz. So begegnet etwa in französischen Urkunden das deutsche Lehnwort Burgfried, während in deutschsprachigen Urkunden etwa der französische Terminus denumerment (‘Aufzählung’) steht.
Auf dieser Hintergrundfolie wurde beschlossen, sowohl eine systematische Datenbank der fürstlichen Urkunden als auch thematische Dossiers zu erstellen. Ein erstes Projektergebnis ist die digitale, zweisprachige Forschungsplattform Cartul@rium. Das Portal ist als Brückenschlag in der Forschung der Grande Région zu verstehen, und zwar nicht nur zwischen den Geisteswissenschaften und den neuen Technologien, sondern auch zwischen den Forschern und der Öffentlichkeit.
Das Portal enthält unter anderem eine detaillierte Bibliographie, die die Geschichte der Fürstentümer in der Grande Région und die entsprechenden Arbeitsinstrumente erschließt. Es stellt ferner zwei didaktische Anleitungen zur mittelalterlichen Handschriftenkunde zur Verfügung (romanisch und germanisch), die Studierende und Laien bei der Entzifferung der Urkunden behilflich sein soll. Und drittens will es in Zukunft die Siegel dieser Urkunden stärker berücksichtigen. Diese stellen eine vielfältige, oft unterschätzte Quelle u.a. für die Kunstgeschichte, die Sozialgeschichte und die politische Geschichte der Großregion dar. Siegel haben einen intensiven emblematischen Wert, neben dem die heutigen Geschäftslogos geradezu verblassen. Dieses Kulturgut ist unersetzlich, aber in großer Gefahr. Die digitale Erfassung stellt somit auch einen bewussten Akt der Kulturpflege dar.
Das Projekt wurde am 18. Oktober 2012 mit dem zweiten Interregionalen Wissenschaftspreis 2012 ausgezeichnet.
Weiterführende Literatur:
Claudine Moulin, Zeichen und ihre Deutung. Zum handschriftennahen Edieren schriftlicher Quellen in interdisziplinärem Kontext, in: Claudine Moulin – Michel Pauly, Die Rechnungsbücher der Stadt Luxemburg. Unter Mitarbeit von Andreas Gniffke, Danièle Kass, Fausto Ravida und Nikolaus Ruge, VI, Luxembourg 2012, S. 9-17
Hélène Say – Hélène Schneider (Hg.), Le duc de Lorraine René II et la construction d’un état princier. Actes de la journée d’étude organisée à l’occasion du 500e anniversaire de la mort de René II, à Nancy (archives départementales de Meurthe-et-Moselle), le 12 décembre 2008, Lotharingia XVI, 2010
Heinz Wismann, Penser entre les langues, Paris 2012
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![https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k201273t/f26.image Vitruve, édition de Giovanni Sulpizio da Veroli, Rome: s.a. [ca. 1486],](https://annotatio.hypotheses.org/files/2013/03/Vitruv1486Bnf-346x500.jpg)





![https://dfg-viewer.de/show/?set[image]=9&set[zoom]=max&set[debug]=0&set[double]=0&set[mets]=http%3A%2F%2Fdaten.digitale-sammlungen.de%2F~db%2Fmets%2Fbsb00012346_mets.xml "Typus Grammaticae", in: G. Reisch, Margarita philosophica, Freiburg/ Br. 1503, fol. 3r](https://annotatio.hypotheses.org/files/2013/02/ReischGrammaticaVD16-351x500.jpg)




